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Bis zu drei Minuten lang ohne Luft

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Eine gesundheitsgefährdende Form des Schnarchens bedroht bis zu zehn Prozent der Bevölkerung: Die Apnoe

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Eine gesundheitsgefährdende Form des Schnarchens bedroht bis zu zehn Prozent der Bevölkerung: Die Apnoe

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Tacht für Nacht nervt es den m Ehepartner; die Mitreisenden J1 im Schlafwagen oder den Nachbarn im Krankenbett treibt es zur Verzweiflung: das Schnarchen. 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung vergrämen ihre Mitmenschen durch jene Laute, mit denen gemäß einem Bonmot schon unsere Vorfahren, die Höhlenmenschen, des Nachts wilde Tiere abgeschreckt haben sollen.

Für gewöhnlich wird es mit dem Sägen eines Baumstammes verglichen, doch erzürnte Opfer greifen durchaus auch zur mehr oder weniger böse gemeinten Metapher des Grunzens. Für Wolfgang Gstöttner, Oberarzt der Wiener Universitätsklinik für Hals-Nasen und Ohrenerkrankungen, handelt es sich schlicht um ein „rhytmisch schwingendes tieffrequentes

Geräusch unterschiedlicher Intensität”.

Normalerweise ist beim Schlafen der Mund geschlossen und die Luft strömt geradlinig durch die Nase. Wucherungen der Nasenschleimhaut (Polypen), eine Nasescheidewandverkrümmung oder große Mandeln behindern diesen Luftstrom und zwingen zugleich den Betroffenen, zumindest teilweise durch den Mund zu atmen. Die Folge: Turbulenzen in der einströmenden Luft, die den weichen Gaumen und das Zäpfchen zum Vibrieren bringen.

Doch auch ein zu großes Gaumensegel oder zu viel Schleimhaut im Rachen können vibrieren und damit die ungeliebten Schnarchgeräusche erzeugen. Übergewicht und Trunkenheit fördern das nächtliche Sägen ebenso: Im einen Fall vibrieren Fettwülste in Zungengrund und Rachen, im anderen Fall wird die Rachen-muskulatur so schlaff, daß der Rachen durch die ein- und ausgeatmete Luft zum Schwingen gebracht wird.

In der Mehrheit der Fälle ist das Schnarchen für denjenigen, der es sich anhören muß, weitaus unangenehmer als für den Schnarcher selbst. Doch es gibt auch eine krankhafte Form des Schnarchens: die Schnarch-apnoe, die durch das zeitweilige Aussetzen der Atmung gekennzeichnet ist. Aufgrund einer Störung im Gehirn kollabieren die Muskelstützen im Rachen, wodurch die Luftzufuhr in die Lunge versperrt wird. Die dadurch entstehenden Atempausen können bis zu drei Minuten dauern und stellen eine starke Belastung für Kreislauf und Gehirn dar: Der Sauerstoffspiegel im Blut sinkt dramatisch, woraufhin das Herz wie wild zu schlagen beginnt, um die Sauerstoffversorgung aufrecht zu erhalten.

Am Ende solcher Atempausen erwacht der Apnoi-ker mit Herzrasen. Meistens wird er sich seines Erwachens nicht bewußt, aber der gestörte Schlaf rächt sich: Tagsüber leidet der Kranke an ständiger Müdigkeit und schläft spontan ein. Einem Studenten bringt das einen schlechten Ruf, einen Angestellten kann es den Job kosten und bei einem Autofahrer kann es tödlich enden.

Laut den Statistiken ist ein Prozent der Bevölkerung von der Schnarch-apnoe betroffen, Schnarchexperte Wolfgang Gstöttner aber schätzt die Dunkelziffer zehnmal so hoch ein. Jeder zweite bis dritte Schnarcher, schätzt der Mediziner, ist Apnoiker. „Doch die wenigsten sind sich dessen bewußt”, bedauert er.

Unruhiger Schlaf, morgendliche Kopfschmerzen und Tagesmüdigkeit weisen auf die Schnarchapnoe hin.

Auch ist jenes gefährliche Schnarchen besonders laut. Es gilt die Faustregel: Wer innerhalb einer Stunde mehr als zehn mal für mindestens zehn Sekunden zu atmen aufhört, leidet höchstwahrscheinlich an Apnoe und sollte sich in ärztliche Behandlung begeben.

Das Wiener Allgemeine Krankenhaus verfügt über ein Schlaflabor, in dem ein Patient beim Schlafen unter ständiger Beobachtung steht: Die Messung der Lautstärke seines Schnarchens, die Atemfrequenz, der Herzschlag und der Blutdruck erlauben eine genaue Diagnose.

Die Operation wird bezahlt

Wer unter Schnarchen leidet, dem kann geholfen werden - das gilt für den Apnoiker ebenso wie für den lautstarken Ruhestörer. Ist die Behandlung ärztlich begründet - und dies ist laut Wolfgang Gstöttner fast immer der Fall -, werden die Kosten von den Krankenkassen getragen. Als erstes werden - wenn vorhanden - die Hindernisse in der Nase, Polypen zum

Beispiel, beseitigt. Ist dies nicht der Grund für das Schnarchen, so bleibt die operative Verkürzung des Gaumensegels.

Unkompliziert ist dieser Eingriff jedoch nicht: Wird die Rachenmuskulatur verletzt, kann es zu unangenehmen Folgen kommen. Im Extremfall kommt dem Patienten beim Schlucken das Essen zur Nase heraus. Auf einem HNO-Kongreß in Aachen berichtete unlängst die deutsche Ärztin Manuela Petak von unfachmännischen „Radikalamputationen” der Gaumensegel. „Man sollte diesen Eingriff nur in guten Kliniken durchführen lassen”, empfiehlt auch ihr österreichischer Kollege Gstöttner

Ist die Ursache des Schnarchens eine grundsätzliche Schwäche der Rachenmuskulatur, so hilft keine Operation.

Als Lösung bleibt das allnächtliche Überstülpen einer Atemmaske, durch die Luft mittels eines Kompressors in die Lunge gedrückt wird. Obwohl die handtellergroße Gummikappe eine gesunde Atmung ermöglicht, akzeptieren nur 60 Prozent der Betroffenen die Apparatur über mehrere Jahre hinweg.

Verständlich: Wer will sich wohl bis an sein Lebensende Nacht für Nacht ein unbequemes, unschönes Gummigebilde über den Kopf stülpen?

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