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Manche Dinge vermisst man erst, wenn sie einem abhanden gekommen sind. Wie etwa den wohlverdienten Schlaf.

Gut geschlafen? Eine harmlose Frage, meist einfach so dahingesagt. Für jene, die darauf mit einem Nein antworten müssen, ist sie allerdings alles andere als unbedeutend. Wer ständig schlecht schläft, ist gereizt, schneller überfordert, weniger leistungsfähig, kurz: seine Lebensqualität ist eingeschränkt. Rund ein Viertel aller Österreicher leidet an Schlafstörungen, wie die Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung erhob. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, mit dem Alter nehmen die Störungen zu. Nimmt man nur die über 50-Jährigen, so sind es 42 Prozent, die keine befriedigende Nachtruhe finden. Zum Arzt gehen die meisten Menschen erst, wenn ihre Schlafprobleme unerträglich werden. Aber auch für den Hausarzt ist eine Diagnose alles andere als einfach. 88 verschiedene Schlafstörungen listet die International Classification of Sleep Disorders (ICSD) derzeit auf. Oft kann nur im Schlaflabor abgeklärt werden, wo genau das Problem liegt.

Das stille Kämmerlein

Derzeit gibt es in Österreich 17 solcher Einrichtungen - "ein Tropfen auf den heißen Stein" wie es Bernd Saletu, Leiter des Schlaflabors an der Universitätsklinik für Psychiatrie am Wiener AKH ausdrückt. Eine Analyse im Schlaflabor ist aufwändig in Bezug auf Geräte, Personal und Zeit. Mindestens zwei Nächte muss ein Patient im Labor verbringen, bis eine Diagnose gestellt werden kann. Die erste Nacht dient der Adaption an die neue Umgebung, erst dann folgt die eigentliche Basisnacht. Wer ins Schlaflabor überwiesen wird, muss daher meist mit monatelangen Wartezeiten rechnen.

Im Schlaflabor der Psychiatrie im AKH stehen zwei Zimmer für Patienten zur Verfügung: keine Luxussuiten, aber mit Tisch, Kasten, Nachtkästchen und sogar einem kleinen Teppich am Boden durchaus komfortabel. Wenn der Patient sich eingerichtet hat, beginnt die Verkabelung.

An seinem Kopf werden Elektroden angeklebt, die die Hirn-und Muskelaktivität und die Augenbewegungen messen. Außerdem werden Atemfluss, mögliche Schnarchgeräusche und die Herzaktivität erfasst. An den Unterschenkeln angebrachte Elektroden messen Beinbewegungen, wie sie zum Beispiel beim Restless-Legs Syndrom, zu Deutsch oft "ruhelose Beine" genannt, auftreten. Um ca. 22.30 geht das Licht aus, die Schlafaufzeichnung, in der Fachsprache Polysomnografie, beginnt. Überwacht wird der Patient vom Nebenraum aus, in dem auch die computergesteuerte Aufnahme erfolgt. Die Aufzeichnungen ergeben dann ein exaktes Schlafprofil. Manchmal wird der Schlafende auch mit einer Videokamera gefilmt. Am Morgen werden verschiedene Parameter wie Konzentration, Puls und Blutdruck gemessen.

In einem Fragebogen gibt der Patient Auskunft, wie er sich körperlich fühlt und wie er die Schlaf-und Aufwachqualität empfunden hat. Allerdings ist die Beurteilung des eigenen Schlafes trügerisch. "Die meisten Menschen glauben wach zu sein, wenn sie sich im ersten Schlafstadium befinden", sagt Bernd Saletu. "Und zehn Prozent glauben, sie hätten nicht geschlafen, obwohl wir bereits Tiefschlaf gemessen haben."

Die Schlafstörungen, mit denen Saletu konfrontiert ist, sind zu 70 Prozent nicht organisch bedingt, das heißt, sie treten im Zusammenhang mit emotionalen oder psychischen Beschwerden auf. Bei den organischen Störungen, also jenen, die auf körperliche Ursachen zurückzuführen sind, ist es die Apnoe (siehe unten), der Saletu im Schlaflabor am häufigsten begegnet.

Falsche Vorstellungen

Manchmal haben Menschen aber auch einfach falsche Vorstellungen von normalem Schlaf. Ältere Menschen, die nachts wach liegen, glauben oft an Schlafstörungen zu leiden, obwohl ihre Schlafdauer sich durchaus mit ihrem Schlafbedarf deckt. Bedenkt man, dass der Schlafbedarf im Alter auf durchschnittlich sechs Stunden abnimmt, und dass ältere Leute oft einen Mittagsschlaf halten und vielleicht früh zu Bett gehen, ist es nicht erstaunlich, wenn jemand um zwei Uhr nachts wieder hellwach ist.

Auf der anderen Seite haben Patienten auch oft falsche Vorstellungen in Bezug auf die Behandlung. "Es gibt nicht einfach ein Schlafmittel, wenn jemand nicht schlafen kann", sagt Saletu. Je nach Diagnose müsse sorgfältig eine Therapie gewählt werden Und um zu sehen, ob der Patient auf diese anspricht, brauche es wiederum Geduld.

Ein Problem sieht der Mediziner darin, dass viele Menschen heute kaum noch mit natürlichem Tageslicht in Kontakt kommen. Das wirke sich negativ auf den individuellen Biorhythmus aus. Dass das Licht als Zeitgeber eine wichtige Rolle spielt, bestätigen auch Studien mit blinden Menschen, die mit den üblichen Schlaf-Wach-Rhythmen unserer Gesellschaft häufig Probleme haben.

Kritisch wird die Situation meist dann, wenn der individuelle Rhythmus massiv von dem der sozialen Umgebung abweicht. Menschen mit einem verzögerten Schlafphasensyndrom zum Beispiel werden erst spät in der Nacht müde und können bis in die Nachmittagsstunden nur mit Mühe ihrer Arbeit nachgehen. Als Therapie wird oft die Einnahme von Melatonin empfohlen, da es eine wichtige Rolle im Tag-Nach-Rhythmus spielt. In den letzten Jahren wurde auf dieses Hormon zunehmend die Hoffnung gesetzt, dass es auch bei anderen Schlafstörungen helfe. So glaubte man, Schlafprobleme, die aufgrund des schnellen Zeitzonenwechsels beim Fliegen oder bei Schichtarbeitern auftreten, in den Griff zu bekommen. Anfang dieses Jahres wurden diese Hoffnungen enttäuscht. Eine Meta-Studie der kanadischen Universität von Alberta in Edmonton ergab, Melatonin sei zwar gut verträglich, für den Jet Leg oder Schlafstörungen von Schichtarbeitern sei es aber bedeutungslos.

Zum Glück gibt es auch Schlafstörungen, die relativ einfach zu "behandeln" sind. Ist es zum Beispiel eine umweltbedingte Ursache wie Straßenlärm, die den Schlafenden ständig aus seinen Träumen reißt, können die altbewährten Ohrstöpsel Abhilfe schaffen.

Auch die Einhaltung einer gewissen "Schlafhygiene" kann so manche Schlafstörung beheben. Dazu zählen Maßnahmen, wie keine fetten Mahlzeiten und Alkohol am Abend zu sich zu nehmen oder auf Entspannung vor dem Schlafengehen zu achten.

Vielleicht noch ein Trost für jene, die dem Genuss eines Gläschen Rotweins am Abend nicht entsagen wollen: auch Schlafforscher können ihr Wissen nicht immer in die Praxis umsetzen. Professor Saletu auf die obligatorische Frage, wie er denn schlafe: "Ich arbeite zu viel und schlafe viel zu wenig."

BUCHTIPP:

WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SCHLAF WISSEN WOLLTEN

Von Bernd Saletu

Ueberreuter Verlag, Wien 2001

308 Seiten, geb., E14,95

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