EinGlücksfall 1 - © Filmladen

"Ein Glücksfall": Woody Allens letztes Geschenk

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Er – Adoptivnachfahre von Sigmund Freud, Franz Kafka, Ingmar Bergman – ist 88. Mit „Ein Glücksfall“ kommt sein 50. Film ins Kino. Woody Allen hat filmisch seine Zeit geprägt wie kaum ein anderer Regisseur. Ein Abgesang.

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Er – Adoptivnachfahre von Sigmund Freud, Franz Kafka, Ingmar Bergman – ist 88. Mit „Ein Glücksfall“ kommt sein 50. Film ins Kino. Woody Allen hat filmisch seine Zeit geprägt wie kaum ein anderer Regisseur. Ein Abgesang.

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Er ist mittlerweile 88, und die Zeit, in der er pro Jahr einen Film drehte, ist längst vorbei. Das liegt aber nicht nur am Alter der Filmlegende, sondern auch daran, dass Woody Allen in den USA zur verfemten Gestalt wurde: Der Rosenkrieg mit Mia Farrow, die Beziehung und Ehe mit deren Adoptivtochter Soon-Yi Prévin sowie bis heute nicht aufgeklärte Missbrauchsvorwürfe seiner und Mia Farrows Adoptivtochter Dylan Farrow ließen ihn zu einer persona non grata werden. In der #MeToo-Debatte wurden die Vorwürfe erneut öffentlich diskutiert, in seiner Autobiografie „Ganz nebenbei“ (2020) widersprach Woody Allen diesen einmal mehr.

Seit damals werden Woody-Allen-Filme in den USA nicht mehr aufgeführt oder finanziert. Für „A Rainy Day in New York“ (2019) spendete Hauptdarsteller Timo­thée Chalamet seine Gage an Missbrauchsopferorganisationen. Die beiden nachfolgenden Filme drehte und finanzierte Allen daher in Europa.

Gar dunkle Schatten

Die späten Unbilden werfen gar dunkle Schatten auf das Allen’sche Œuvre, das dennoch stilbildend fürs Kino diesseits und jenseits des Atlantiks blieb. Der 1935 als Allan Stewart Konigs­berg in der Bronx geborene jüdische Tunichtgut mauserte sich über Stationen als Gagschreiber und Stand-up-Comedian ab Mitte der 1960er Jahre zum Filmemacher, wobei auch dabei eine Entwicklung von Situationskomik und Sprachwitz zu – einmal mehr, einmal weniger – tiefschürfenden Beziehungsdiagnosen sichtbar ist.

Seit dem Oscar-prämierten „Stadtneurotiker“ (1977), in dem er sich mit Diane Keaton befetzt und wiederfindet und in dem nonchalant autobiografische Anspielungen eingewoben sind, kann Woody Allen als gleichzeitiger Adoptivnachfahre von Sigmund Freud, Franz Kafka und Ingmar Bergman herhalten – ein Alleinstellungsmerkmal, das ihn aus der US-amerikanischen wie europäischen Filmlandschaft bis heute heraushebt.

Dabei mangelte es auch in Allen-Filmen kaum an dramaturgischen wie technischen Novitäten: Im „Stadtneurotiker“ war es etwa der Split-Screen, in „Zelig“ (1983) über einen Schlemihl par excellence montierte er sein Konterfei in Wochenschau-Ausschnitte aus der Zwischenkriegszeit. In „The Purple Rose of Kairo“ (1985) steigt der Westernschauspieler Baxter aus der Leinwand ins Kino hinein, um der ihn verehrenden Cecilia im Publikum zu begegnen.

Schließlich verliert sich Woody Allen in „Harry außer sich“ (1997) als neurotischer Schriftsteller so zwischen seiner Innen- und Außenwelt, dass das Publikum dabei zuschaut, wie er aus dem Bild auf der Kinoleinwand allmählich verschwindet. Und in „Melinda und Melinda“ (2004) erzählt er die gleiche Geschichte – eine Frau platzt in eine Dinner-Party, und das hat Folgen – als Komödie wie als Tragödie.

Aber auch Fragen nach der Gerechtigkeit angesichts eines möglichen Siegs des Bösen ziehen sich als ein roter Faden durch Allen-Filme: In „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1989) lässt er Martin Landau als Augenarzt ­Judah einen Mord begehen und ihn ungesühnt davonkommen, während der erblindende Rabbi Ben, ein Gerechter, sein Augenlicht komplett verliert.

Selbiges Motiv spinnt er 2004 in „Match Point“, dem ersten in England gedrehten Woody-Allen-Film weiter, wo ein aus einfachen Verhältnissen stammender Tennisprofi in eine Upper-Class-Familie einheiratet und seine Geliebte ermordet, weil sie von ihm schwanger ist. Auch „Match Point“ verhandelt die Frage, was ist, wenn der Mörder ungeschoren davonkommt.

Woody Allen auf Französisch

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