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Von Tauben …Taubenhäusern …und Taubentürmen

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Die Freundschaft zwischen Mensch und Taube ist so alt wie die Menschheit selbst. In der auffallenden Zutraulichkeit und Anhänglichkeit des Tieres erblickte er schon immer etwas Geheimnisvolles und Schicksalhaftes, von der Natur und den Göttern geradezu Gewolltes.

So war der Mensch schon deshalb seit jeher bestrebt, die Tauben an sein Heim zu binden. Er baute ihnen eigene Unterkünfte und begann §ie zu züchten. Die ersten Verschläge für die Vögel wären recht einfach, so einfach wie die ersten Behausungen. In den orientalischen Ländern errichtete man ihnen freistehende Türme aus Lehm mit mehreren Einfluglöchern. Die Taube bereitete dem Besitzer nicht nur frohe Stunden der Zerstreuung, sondern lieferte ihm auch ein wohlschmeckendes Fleisch. So hat man im alten Orient die Taube von allem Geflügel am frühesten gezüchtet und auch schon gemästet; mit unnötiger Grausamkeit wurden den Tieren Füße und Flügel gebrochen, um durch die erzwungene Bewegungslosigkeit ja recht fette Exemplare zu erzielen.

Auf einigen der Ägäischen Inseln, wo infolge monatelanger Trockenheit und starker Winde die Erde sehr an Humusmangel leidet, halten die Bauern seit undenklichen Zeiten große Scharen von Tauben. In unmittelbarer Nähe der Häuser oder auf Feldern werden sie in weißgetünchten, steinernen, viereckigen Türmen, „Peristerion“ genannt, untergebracht, deren flache Dächermit Abwehrzinnen gekrönt sind. Die Wände des Obergeschosses besitzen kunstvoll gelegte, durchbrochene Friese aus Schiefersteinen im Zickzack, Rad- oder Grätmuster. Durch die Öffnungen dieser Friese gelangen die Tauben ins Innere und wieder hinaus. Das Erdgeschoß des Taubenturmes ist ein landwirtschaftlicher Schuppen, wo auch der hėrabfallende Taubendung aufbewährt wird. Diese schmucken Taubenhäuser sind nur auf der Insel Tinos und den ihr nahe liegenden Eilanden anzutreffen, nicht auf anderen griechischen Inseln. Wahrscheinlich steht diese seltsame Liebe der Tinosbewohner zu den Tauben noch mit dem Poseidonkult der loner im Altertum in Zusammenhang.

In den Ländern Mitteleuropas baute man den Tauben meist hölzerne Taubenschläge, Taubenkästen und Taubenhäuser, gestellt auf einen oder mehrere Pfeiler. Diese Taubenhäuser von vier-, sechs- oder achteckiger Form erreichen oft stattliche Dimensionen und werden bei uns Taubenkobel genannt. Eine Seltenheit stellen geflochtene Taubenkobelhäuschen dar, welche noch im Weinviertel, Niederösterreich, anzutreffen sind. Die Mitte der Höfe einnehmend, waren sie eine stolze Zierde einer jeden Bauernwirtschaft der Vergangenen Jahrhunderte.

Im Frankreich des Mittelalters besaß fast jeder Herrensitz und jede Abtei einen massiven Taubenturm, wo man Tauben zur Bereicherungdes Speisezettels züchtete. Taubentürme, in Mauerwerk oder Fachwerkkonstruktion ausgeführt, die der Zucht zur Fleischproduktion dienten, wunden in Frankreich und im Rheinland auch noch Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet. In Belgien, wo die Taubenzucht in größerem Maße betrieben wurde als in Deutschland, Böhmen, Polen und Österreich, baute man die Taubentürme gleich inmitten der Felder, damit die Vögel leichter ihr Futter finden konnten.

In den Wüstengebieten Afrikas und Asiens, wo die Taubenzucht oft nichts einbringt, werden die Tiere aller Überlegung zum Trotz dennoch gehalten. Ursache dazu könnte vielleicht jene fromme islamische Legende sein, die von jener fernen Zeit berichtet, in welcher der Prophet Mohammed sich vor den vielen Feinden, die ihn töten wollten, noch verstecken mußte. Einmal retteten die Tauben ihm nämlich das Leben. Als er in eine Höhle flüchtete, ließen sich die Tauben, die im dornigen Gestrüpp vor dem Eingang nisteten, kaum in ihrem Brutgeschäft stören. Die Verfolger hielten es für ausgeschlossen, daß jemand in die Höhle eindringen könnte, ohne die Tiere aufzuscheuchen. Der Prophet ordnete zum steten Gedenken daran an, daß in jedem Hofe einer Moschee Tauben gehalten werden sollen. So blieb es bis auf den heutigen Tag.

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