"In Bayreuth redet man über Erl“

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Wen die Festivalitis einmal gepackt hat, den lässt sie nicht mehr los. Fünf Jahre dirigierte der 1945 im steirischen Turrach geborene Gustav Kuhn bei den Festspielen in Glyndebourne, zehn Jahren in der Arena di Verona und in Macerata, fünfzehn Jahre bei den Münchner Opernfestspielen, zwei Jahrzehnte bei den Salzburger Festspielen. Dort lud ihn Karajan ein, seine "Le nozze di Figaro“-Produktion zu übernehmen, ebenso rettete er 1992 den neuen "Titus“, für den ursprünglich Riccardo Muti vorgesehen war. Dem gefiel bekanntlich die von Karl-Ernst und Ursula Herrmann erdachte Szenerie nicht, sodass er sich, plötzlich und erwartet, aus dieser Neuinszenierung zurückzog.

Mit Mortier, der damals in Salzburg den Ton angab, traf Kuhn zusammen, um über eine mögliche Zukunft der Festspiele zu reden. Bald erkannte er, dass seine Ideen nicht auf den gewünschten fruchtbaren Boden fielen. Die Erfahrungen eines international viel gefragten Dirigenten hatte er: Kuhn stand unter anderem am Pult der Wiener und Berliner Philharmoniker, des London Symphony Orchestra, des Orchestre National de France, der Tschechischen Philharmonie, der Wiener und Bamberger Symphoniker, er gastierte beim Tonhalle Orchester Zürich, bei der Staatskapelle Dresden, beim Israel Philharmonic Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra Tokyo, dem Orchestra Filarmonica della Scala und dem Cincinnati Symphony Orchestra, dirigierte in den großen Opernhäusern in Europa, Amerika und Tokyo. Also machte er sich selbst auf die Suche nach einem möglichen Festspielort.

Die Zwischendecke im Passionshaus fehlt - zum Glück

Rasch wurde der erklärte Naturfan, der nicht müde wird zu betonen, wie gerne er in der Stille arbeitet und dass er den Kühen sowohl "Guten Morgen!“ als auch "Guten Abend“ sage, fündig: in Erl, bekannt für seine alle sechs Jahre stattfindenden Passionsspiele. Wobei er es als Glück empfand, dass den Erlern das Geld ausgegangen war, um eine für ein Sprechtheater notwendige Zwischendecke im Passionshaus einzuziehen. Damit hatte er genau jene Akustik, die er sich für seine Festspiele wünschte. So konnte er verwirklichen, was Wagner schon vorschwebte: das Orchester auf der Bühne hinter den Sängern zu postieren. Die Folge einer solchen, gleichermaßen für Ohr und Aug ungewöhnlichen, Lösung liegt auf der Hand: Das Orchester steht mindestens ebenso im Mittelpunkt wie die Sänger. Und tatsächlich, in Erl ist das Orchester "der ganz große Star, das Publikum jubelt jeden Abend begeistert“ (Kuhn). Das wird es gewiss auch im neuen Festspielhaus bleiben, dessen Fertigstellung für 2013 geplant ist und das auch einen Winterbetrieb ermöglicht.

Trotz der stilistischen, von der Klassik bis in die Moderne reichenden Vielfalt in Oper und Konzert steht auch diesen Erler Sommer wiederum Wagner im Zentrum. Auch wenn Kuhn dieses Festival nicht als Wagner-Festspiel erdacht hat, ist Erl zu einem "Wagner-Mekka“ geworden. Darüber war schon vor Jahren in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen: "Längst spricht man in Bayreuth - wenn man wirklich unter sich ist - über Erl.“ Was kann sich Erls Festivalgründer und -chef Gustav Kuhn Besseres wünschen? (dob)

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