Viktor Orbán vor der Wiederwahl

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Die ungarische Regierungspartei hat das Land tiefgreifend umgebaut und wird auch die Wahl am 6. April gewinnen. Die Konkurrenz ist chancenlos.

Der Budapester Frühling manifestiert sich auf den Straßen, in den Parks und Vorgärten der ungarischen Hauptstadt, wo die Forsythien in sattem Gelb erstrahlen und die blühenden Obstbäume reiche Ernte versprechen. In der Politik kann von Frühlingsgefühlen allerdings keine Rede sein. Die Polarisierung ist extrem, allgemein stellt man sich darauf ein, dass Premier Viktor Orbán und seine rechtsnationalistische Fidesz ihre Herrschaft um vier Jahre verlängern werden, wenn am 6. April gewählt wird. Die Medien spekulieren vor allem über die Frage, ob die Regierungspartei sich wieder mit zwei Dritteln der Parlamentssitze eine Verfassungsmehrheit sichern kann. Das neue Wahlgesetz macht es möglich, dass schon 42 Prozent der gültigen Stimmen für zwei Drittel reichen könnten.

Wahl auf Orbán zugeschnitten

Ferenc Kumin, stellvertreten-der Staatssekretär im Büro des Premierministers und für internationale Kommunikation zuständig, weist Vorwürfe, das Wahlgesetz und die Verringerung der Wahlkreise seien auf die Bedürfnisse von Orbán zugeschnitten, zurück. Er legt eine Landkarte mit den neuen Wahlkreisen vor, die auf den ersten Blick keine abenteuerlichen Grenzziehungen erkennen lassen. Trotzdem spricht Katalin Csiba von der Grünpartei LMP von "Gerrymandering“, also willkürlicher Veränderung der Wahlkreisgrenzen zugunsten einer bestimmten politischen Kraft. Und auch die Sozialistische Partei (MSZP) klagt, dass ihre Hochburgen so aufgeteilt wurden, dass konservative Mehrheiten wahrscheinlich sind.

Die Verkleinerung des Parlaments von 386 auf 199 Abgeordnete erfolgte einstimmig. Aber die anderen Veränderungen der Spielregeln wurden ohne die Stimmen der Opposition beschlossen. 106 Sitze werden über Einerwahlkreise vergeben, die mit einfacher Mehrheit an den stärksten Kandidaten fallen. Eine Stichwahl, die flexible Koalitionen zugelassen hatte, gibt es nicht mehr. Eine zweite Stimme kann für Parteien oder Listen abgegeben werden. Insgesamt 18 Parteien stehen auf dem Stimmzettel. Aber eine Hürde von fünf Prozent verhindert, dass kleine Gruppierungen ins Parlament kommen. Zweierkoalitionen brauchen zehn Prozent. Allianzen von drei oder mehr Parteien müssen mindestens 15 Prozent der Zweitstimmen bekommen. Dass eine starke Opposition auch nach den neuen Spielregeln eine satte Mehrheit einfahren könnte, wie Ferenc Kumin einwendet, ist wohl richtig. Doch die Opposition ist teils durch eigenes Verschulden, teils durch Zutun der Regierung geschwächt und hat weder eine einfache Botschaft noch ein zündendes Alternativprogramm parat, das die Wählerinnen und Wähler überzeugen würde. Das von der Sozialistischen Partei (MSZP) angeführte Bündnis "Regierungswechsel“ vereint fünf Parteien, von denen zumindest drei von rivalisierenden Alpha-Tieren angeführt werden.

Orbán wirbt mit dem Wohlfühl-Slogan "Ungarn geht’s besser!“, den die Regierung schon in einer teuren Kampagne eingeführt hat. Für den bescheidenen Preis von umgerechnet 660 Euro hat diese Slogan und Logo der regierenden Fidesz überlassen. Auch Ferenc Kumin gibt zu, dass das Wahlprogramm des Premiers bescheiden ist: "Wir machen weiter“. Dann schwächt er etwas ab: "Wir würden gerne weitermachen“. Und vor der Ungarischen Handelskammer hat Orbán Mitte März auch ein paar konkrete Vorhaben angekündigt, die in ihrer Gesamtheit vom Wunschdenken geleitet scheinen: Reindustrialisierung, Ausbau der Handelsbeziehungen zum Osten, Stärkung des kleinen und mittleren Landbesitzes, Senkung der Steuern auf Arbeit, billigere Energie, Vollbeschäftigung, ...

Jobbik wettert gegen Korruption

Auch die rechtsextreme Jobbik verzichtet diesmal auf rassistische Sprüche und wirbt mit den Gesichtern biederer, lächelnder Menschen. Sie punktet auch mit dem schwer zu widerlegenden Vorwurf: "Fidesz stiehlt“. Der Wirtschaft gehe es deswegen so schlecht, weil die öffentlichen Gelder wundersamer Weise immer bei denselben Firmen landen. So kommt der Baukonzern Közgép bevorzugt bei öffentlichen Aufträgen zum Zug, manchmal ohne Ausschreibung. Er gehört dem ehemaligen Finanzamtschef und Orbáns Schulfreund Lajos Simicska, einem der reichsten Oligarchen des Landes, der in den letzten Jahren staatliche Bauaufträge über mehrere Milliarden Euro an Land ziehen konnte. Auch die Neuvergabe der Lizenzen für Tabakläden hat zu einer Konzentration von lukrativen Geschäften in den Händen weniger meist Fidesz-naher Unternehmer und Politiker geführt. Der Entwurf für das Gesetz wurde auf einem Laptop des Continental-Konzerns des regierungsnahen Tabaklobbyisten János Sánta geschrieben, wie Staatssekretär János Lázár bei einer parlamentarischen Anfrage zugeben musste. Wie das Nachrichtenmagazin HVG schreibt, drohe nach der Wahl auch eine Monopolisierung des Alkoholvertriebs.

Mittelschicht rutscht in Armut ab

Statistiken der OECD belegen, dass die Kaufkraft der ungarischen Bevölkerung zu der geringsten in den industrialisierten Ländern gehört. Durchschnittslöhne von rund 800 Euro und Durchschnittspensionen von weniger als 370 Euro stehen Preisen von westeuropäischem Niveau gegenüber. Der Mittelstand rutscht langsam in die Armut ab. Dem versucht die Regierung jetzt durch für alle spürbare Erleichterungen zu begegnen. Der große Wahlschlager ist die zweimalige Senkung der Wohnnebenkosten um je zehn Prozent. Die Energiekonzerne und andere Dienstleistungsunternehmen wurden gezwungen, ihre Tarife anzupassen. Auch die Sondersteuer für Banken, Energiekonzerne und Supermarktketten, mit denen Orbán vor allem ausländische Investoren schröpft, kommen in der Bevölkerung gut an. Allerdings haben sie ein Klima geschaffen, das Unternehmer verunsichert, wie der Wirtschaftsexperte Csaba Kakosy, Kurzzeitminister unter der sozial-liberalen Regierung 2007, meint: "Orbán kann sich jeden Tag etwas Neues einfallen lassen“, um zu Geld zu kommen. Bei öffentlichen Beschaffungen kämen immer nur die Regierungsfreunde zum Zug.

Regierungskritik kommt nicht an

Was die Deutung der Wirtschaftsdaten betrifft, so zeigt sich dieselbe Spaltung, wie in der Politik. Während die Regierung ein Wachstum von ein Prozent im vergangenen Jahr und prognostizierte 2,1 Prozent für 2014 sowie die Schaffung von 250.000 Arbeitsplätzen in Industrie und Bürokratie feiert, stellt die Opposition fest, dass das Wachstum über die vier Orbán-Jahre insgesamt nur zwei Prozent betragen habe. Damit liegt Ungarn deutlich hinter den anderen ost- und mitteleuropäischen Staaten. Das Wachstum im vergangenen Jahr sei außerdem einer wetterbedingt guten Ernte und der verstärkten Ausgabe von staatlichen und EU-Mitteln für Infrastruktur geschuldet, wie Kakosy feststellt: "Dieses Wachstum ist nicht nachhaltig, es gibt keine Privatinvestitionen“.

In den meisten Haushalten kommen kritische Kommentare nicht an. Die wenigen Medien, die noch nicht auf Regierungslinie gebracht wurden, werden nur von jenen wahrgenommen, die ohnehin die Opposition wählen. Eine Fernsehdiskussion mit Attila Mesterházy, dem Spitzenkandidaten von "Regierungswechsel“ hat Orbán abgelehnt. Sein letztes TV-Duell mit dem damaligen MSZP-Chef Ferenc Gyurcsán, der ihn rhetorisch an die Wand gespielt hatte, hat er noch schmerzlich in Erinnerung. Auch den Umfragen traut er nicht. Schließlich hatten die Meinungsforscher 1994, 2002 und 2006 noch kurz vor den Wahlen einen Sieg der Fidesz vorhergesagt. Und dann gewann doch jedes Mal die MSZP.

In Fidesz-Hand

Ungarn gehe es deshalb so schlecht, weil öffentliche Gelder auf wundersame Weise immer bei denselben Firmen landen, kritisiert die Opposition. Nach der Wahl drohe nun auch eine Monopolisierung des Alkoholvertriebs.

Jobbik punktet

Auch die rechtsextreme Jobbik (siehe links) verzichtet diesmal auf rassistische Sprüche und wirbt mit lächelnden Menschen. Jobbik punktet mit dem Vorwurf: "Fidesz stiehlt“ und bezieht sich damit auf das korrupte System Orbáns.

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