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Bizet, Kodaly, Madach

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Die Musik- und Tneaterfestspiele in Szeged,: der größten Stadt des südlichen Ungarns, sind, vom westlichen Ausland kaum bemerkt, seit elf Jahren zur Tradition geworden. Das Publikum, das sie besucht, kommt zum Teil aus dem nahen Jugoslawien und rekrutiert sich auch aus Gästen, die auf ihrem Durchzug zum slawischen Serienparadies einen Ruhetag einschieben. Der Hauptteil des Kontingents wird jedoch von den Bewohnern der Stadt selbst gestellt, die wohl auch eine eigene Oper besitzt, aber nur mit den Sommerspielen wirklich ein breites Publikum zu erfassen vermag. Wie groß dieses ist, geht daraus hervor, daß die drei oder vier Vorstellungen jeder Inszenierung vor jeweils 7000 Besuchern abrollen. Ein Größenmaß, das in Europa vielleicht nur von der Arena in Verona überboten wird.

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Die Musik- und Tneaterfestspiele in Szeged,: der größten Stadt des südlichen Ungarns, sind, vom westlichen Ausland kaum bemerkt, seit elf Jahren zur Tradition geworden. Das Publikum, das sie besucht, kommt zum Teil aus dem nahen Jugoslawien und rekrutiert sich auch aus Gästen, die auf ihrem Durchzug zum slawischen Serienparadies einen Ruhetag einschieben. Der Hauptteil des Kontingents wird jedoch von den Bewohnern der Stadt selbst gestellt, die wohl auch eine eigene Oper besitzt, aber nur mit den Sommerspielen wirklich ein breites Publikum zu erfassen vermag. Wie groß dieses ist, geht daraus hervor, daß die drei oder vier Vorstellungen jeder Inszenierung vor jeweils 7000 Besuchern abrollen. Ein Größenmaß, das in Europa vielleicht nur von der Arena in Verona überboten wird.

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Die Festspiele in Szeged werden nicht nach der Art der westeuropäischen Festspiele zeitlich komprimiert, sondern erstrecken sich über sieben bis acht Wochen, wobei in Stagione-Art eine Inszenierung die andere ablöst. So fiel beispielsweise heuer die letzte „Carmen“-Vorstel-lung unmittelbar vor der Premiere von „Hary Janos“, während Madachs Schauspiel „Die Tragödie des Menschen“ erst später folgen sollte.

Der Schausplatz der Sommerspiele ist der Platz vor der im neoromanischen Bauklötzchenstil errichteten Kathedrale. Gegenüber der fix montiert Riesentribüne und zwei Beleuchtertürmen breitet sich die Bühne über 70 Meter aus. Bei der Aufführung von „Carmen“ ist sie als Universalbühne gestaltet, was sehr hübsch aussieht und nur im Schmugglerakt etwelche Probleme-ungelöst deklariert Ganz bezau-

bernd ist die szenische Realisierung beim Kodäly-Musical gediehen, wobei zahlreiche Verwandlungen vorgenommen werden. In den dazu nötigen Umbaupausen wird das Publikum von der Rampe aus mit einer ganzen Batterie von Scheinwerfern angestrahlt, was zwar nicht sehr angenehm ist, aber seinen Zweck erfüllt: ein geschlossener Vorhang könnte das Geheimnis dahinter nicht besser wahren. Eine Bühne von solchen Dimensionen muß natürlich dicht bevölkert werden. Tatsächlich scheint halb Szeged (die Hälfte, die nicht im Zuschauerraum ist) auf dem Podium versammelt, und wenn nicht die Hälfte, so doch ganz gewiß die Gesamtheit aller aktiv musizierenden Bewohner: 700 an der Zahl. Die solcherart erzielten Massenwirkungen sind szenisch wie musikalisch imposant, ihre Probleme auch in jeder Hinsicht gelöst.

Problematisch ist in bezug auf den akustischen Eindruck die Verwendung von Mikrophonen für die Solisten und das Orchester. Etwa zwanzig sind entlang der Rampe und im Orchestergraben disponiert. Obwohl die Solisten angehalten werden, sich jeweils eines auszusuchen, was sie natürlich in ihrer Bewegungsfreiheit hemmt, und obwohl ein Tonmeister vom mitten im Zuschauerraum parierten Mischpult aus die Schwankungen auszusteuern versucht, sind Lautstärkenuntersehiede nicht ganz zu vermeiden. Doch würde dies weniger stören als der Klang des Orchesters, dem durch die elektro-akustische Übermittlung — die Lautsprecher befinden sich unter den Sitzen — doch sehr viel Blechernes beigemischt wird. Das Problem Ist wahrscheinlich bei derartigen Dimensionen überhaupt nicht lösbar. Für „Carmen“ hatte man eine Reihe ausländischer Gäste von ansehn-

licher Kapazität engagiert, vor allem den seinerzeit als Wunderknaben viel bestaunten Roberto Benzi, der auch als erwachsener Dirigent hervorragende technische und musikalische Qualitäten beweist. Ganz hervorragend auch die französische Carmen Jane Rhodes und der kanadische Tenor Jean Borihomme, während die übrigen Mitwirkenden das Mittelmaß nicht überragten. Der schwache Punkt der Vorstellung war die Regie, die nicht über konventionellste Personenführung hinauskam. Im Gegensatz dazu war sie in „Hary Janos“ bezaubernd einfallsreich und trotz ihrer Operettennähe dezent und geschmackvoll. „Hary Janos“, durchwegs mit ungarischen Künstlern besetzt, gehört natürlich zu den Werken, die unter ungarischem Himmel ganz besonders wirken. Das Publikum verschenkte allerdings seine Begeisterung zu gleichen Teilen an beide Werke. Erwähnenswert, weil auch bei Festspielen kleineren Ausmaßes nicht so selbstverständlich, die Organisation dieses Festivals und die Disziplin der Zuhörer. Sie kamen offensichtlich, um zu hören und zu schauen, nicht um gehört und gesehen zu werden.

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