7134022-1997_39_16.jpg
Digital In Arbeit

Sissy lebte auf großem Fuß

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Seit wann gibt es das Dorotheum\

Michaela Strkbl: Das Dorotheum wurde im Jahre 1701 von Kaiser Joseph I. gegründet. Von den großen Auktionshäusern, die heute noch bestehen, ist es das älteste und das sechstgrößte Auktionshaus der Welt. Die ursprüngliche Idee war, daß finanziell in Bedrängnis geratene Personen hier gegen Versatz eines Pfandes und Abstattung geringer Zinsen ein Darlehen erhalten konnten. Damals hat der Zinswucher sehr zugenommen. Etwa 80 Jahre später hat das damalige „Versatz- und Fragamt zu Wien” einen großen Aufschwung erlebt. Joseph II. legte Wert darauf, dieses Haus für alle ßevölkerungsschich-ten zu öffnen. Zu dieser Zeit übersiedelte das Satz- und Fragamt in das heutige Palais Dorotheum. Hier befand sich zuvor das Kloster zur Heiligen Dorothea - daher der Name.

DIEFURCHE: Wie viele Auktionen gibt es pro Jahr?

S'l'rehl: Im Palais Dorotheum veranstalten wir jeden Tag eine Auktion. Es ist die Devise des Hauses, immer etwas zu bieten. Unsere Strategie ist, bei den großen internationalen Auktionen Top-Qualität anzubieten. Andererseits veranstalten wir jeden Tag auch kleinere Auktionen, für jedermann, jeden Geschmack und für jede Brieftasche. Alles, was auktioniert wird, ist mindestens eine Woche vorher ausgestellt. Die Besucher können kommen und die Gegenstände angreifen. Sie können auch Experten um Erklärungen bitten.

DIEFURCHE: Wie läuft eine Auktion ab? Wird da mit dem Hammer der Zuschlag gegeben

Strebl: Es ist ein Spezifikum des Dorotheums, daß wir mit Glocke versteigern. Das gibt es nur hier.

DIEFURCHE: Wie viele Menschen kommen pro Auktion' strebl: Der Besucherandrang ist recht unterschiedlich. Bei Spezialgebieten sind natürlich weniger Menschen hier. Bei den klassischen Sammelgebieten, wie etwa den alten Meistern oder der zeitgenössischen Kunst, ist der Auktionssaal bis auf den letzten Platz gefüllt und die Menschen stehen sogar am Gang. Viele bieten auch über Telefon mit oder reichen ein Angebot schriftlich ein. Es kann sehr spannend werden, wenn zwei Sammler unbedingt etwas haben wol -len. Da kommen auch manchmal die Emotionen hoch. Das geringste sind dann böse Blicke ...

DIEFURCHE: Was kommt hier alles zur Versteigerung? strebl: Die Palette ist sehr breit. Gesammelt wird alles, angefangen vom Jugendstil, Glas, Porzellan, Möbel, Fotografien, Briefmarken bis zu Schmuck - wir sind mittlerweile der größte Schmuckhändler in Österreich.

DIEFURCHE: Was ist denn zur Zeit der große Renner? strebl: Jugendstil, der eine Zeitlang nicht mehr so gefragt war, hegt derzeit wieder sehr stark im Trend. Bein finanziell machen die „Alten Meister” den größten Umsatz aus. Was bei uns auch sehr großen Anklang gefunden hat, sind unsere Designauktionen aus den dreißiger, fünfziger und sechziger Jahren. Sehr gefragt sind unsere Kaiserhausauktionen. Das spricht viele Menschen an. Bei diesen Auktionen kommen die kuriosesten Sachen zur Versteigerung. Beispielsweise ein Paar Seidenschuhe von der Kaiserin Elisabeth, die 240.000 Schilling erzielt haben. Die Kaiserin hatte die Schuhe wahrscheinlich zwei-, dreimal an. Sie hatte große Füße, immerhin Größe 40/41. Auch den Stolperstein von der Kaiserin haben wir verkauft. Das war ein Stein aus St. Turin, über den sie auf einer Reise einmal gestolpert ist und ihn dann zur Erinnerung als Briefbeschwerer verwendet hatte. Das war ein ganz normaler Lavastein. Der hat 30.000 Schilling gebracht. Teuer waren auch die Sterbebetten von Franz Ferdinand und der Sophie von Hohenberg, die haben auch über 800.000 Schilling erzielt. In diesem Fall hat das Heeresgeschjcht-liche Museum zugeschlagen. Viele dieser Dinge kommen aus dem Privatbesitz, etwa aus den Familien früherer Dienstboten. Die kaiserlichen Hoheiten haben als Erinnerung an Dienstzeiten immer wieder Gegenstände verschenkt. Es gab bereits zu Lebzeiten von Kaiser Franz Joseph einen blühenden Andenkenhandel mit Gegenständen von ihm. Sein Leibkämmerer hatte sogar alle Dinge mit einem Siegel versehen, um die Echtheit zu bestätigen.

DIEFURCHE: Wie weiß man mit Sicherheit, ob das wirkliche Originale aus dem Kaiserhaus sind? strebl: Unser Experte recherchiert da schon sehr genau. Irgendwelche Geschichten können ihm nicht aufgetischt werden. Wenn die geringsten Zweifel da wären, dann kommt das nicht zur Auktion.

DIEFURCHE: Wie viel Geld wechselt im Durchschnitt bei großen Auktionen den Besitzer? strebl: Bei unserer letzten Jugendstilauktion im Juni waren es nur etwa zehn Millionen, weil Jugendstilobjek -te kleinere Objekte sind. Bei einer „Alte Meister”-Auktion kann es aber schon sein, daß 35 Millionen umgesetzt werden. Da erzielen einzelne Bilder Spitzenpreise. Ein Top-Ereignis war beispielsweise eine Versteigerung im Jahre 1990. Da wurde ein Gemälde von Jan Brueghel dem Jüngeren um 8,3 Millionen Schilling verkauft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung