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Auktionen im Schlob

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Eine Stehlampe, Jugendstil, Bemalung von Gustav Klimt, signiert ... zürn ersten, zum zweiten... Eine Lithographie von Utrillo... Eine Zeichnung von Kokoschka, ein Selbstporträt von Gustav Klimt, Kohle, Ausrufpreis 9000 Schilling, zum ersten, zum zweiten...

Manchmal ist der Auktionssaal so voll, daß die Menschen auf den Stiegen stehen. Manchmal sind nicht einmal alle Sessel besetzt, vor allem an schönen Badesonntagen. Manchmal ist das städtische Sammlerpublikum, sind die Liebhaber unter sich. Manchmal, vor allem im Hochsommer, dominieren die Urlauber, die vom nahen Neusiedler See herübergekommen sind. Es ist ja nur ein Katzensprung von Neusiedl nach Potzneusdedl, nicht nur die Namen sind benachbart.

Wie das Publikum, so wechselt auch das Versteigerungsgut. Das sommerliche Touristenpublikum findet ein gemischtes Angebot, eine Palette, die, sagen wir, bei einem Galle diesseits der 10.000-Schilldng-Ausrufpreisgrenze beginnt und nach unten in den Bereichen gehobener Urlaubs-Souvenirs ausläuft. Potz-neusiedls Glanzpunkte sind die reinen Jugendstil-Auktionen, die Sammler und Händler aus Wien Richtung Burgenland in Bewegung setzen.

Potzneusiedler Glanzpunkte — es muß gesagt werden: Glanzpunkte des heutigen Potzneusiedl. Denn dieses Wort steht für die geglückte Revitalisierung eines Schlosses, das anderenfalls möglicherweise verloren gewesen wäre.

Bis 1956 war es bewohnt, dann begann der Verfall. Wie schnell er fortschritt, beweist ein ausgedehnter Deckeneinsturz im rechten Seitentrakt, der sich während der Renovierungsarbeiten ereignete. Nur der Schutt im Erdgeschoß hielt noch die Säulen, die das Gewölbe trugen, und als der Schutt fortgeräumt wurde, wankten sie. Unmittelbar hinter dem neuen Hausherrn, der gerade mit ein paar Helfern Schutt ins Freie schaffte, donnerte die tonnenschwere Decke herunter.

Dieser neue Hausherr, Diplomingenieur Gerhard Egermann, hat die Auktionen von Potzneusiedl ins Leben, gerufen, um einerseits dem Schloß eine neue Funktion zu geben und anderseits auch die Mittel zu seiner Instandsetzung zu beschaffen, mittlerweile darin aber eine neue Lebensaufgabe entdeckt. Bekanntlich sdnd uns Häuser, ebenso wie Menschen, auf den ersten Blick sympathisch oder unsympathisch. Egermann mochte das Schloß auf den ersten Blick, und offenbar wurde seine Liebe erwidert, sonst wäre ihm die Decke wahrscheinlich auf den Kopf gefallen.

Im Gelände des heutigen Schloßparks siedelten schon die Römer, worauf Reste eines Atrium-Fundamentes hindeuten, auch eine noch immer verwendete Bewässerungsanlage soll teilweise römischen Ursprungs sein. Seinen Namen hat Potzneusiedl von den Grafen Poth, die dm 13. Jahrhundert hier angesiedelt wurden, um die Grenze zu festigen. Sie stammten aus Bayern, um den Risikofaktor engerer Beziehungen hinüber und herüber auszuschließen. Das heutige spätbarockklassizistische Bauwerk stammt aus dem späten 18. Jahrhundert, seine letzte adelige Besitzerin, Louise Gräfin von Batthyäny, starb 1956. Als es, nach zehnjährigem Leerstehen, an Dipl.-Ing. Egermann überging, existierte eine einzige elektrische Leitung, die zu einer einzigen, einsam von einer Decke baumelnden Glühbirne führte.

Es genügt ein Blick auf die Fassade des mittleren Traktes, um zu ermessen, welchen Gesichtsverlust die allfällige Zerstörung dieses Schlosses für Potzneusiedl und welchen Substanzverlust sie für die weitere Umgebung des Neusiedler Sees bedeutet hätte. Von der Klarheit der Proportionen und von der Sparsamkeit des Dekors geht eine starke Wirkung aus. Schloß Potzneusiedl, von außen gesehen, wirkt schön und zugleich streng.

Die Restaurierung wurde zum Großteil von Gerhard Egermann und einigen Helfern selbst durchgeführt. Egermann ist von seiner Ausbildung her Techniker und betreibt eine einschlägige Großhandlung in Wien, durch eine Verwandte, die als Kunsthändlerin in New York lebt, kam er mit dem Kunsthandel in Berührung. Das „Auktionshaus Schloß Potzneusiedl“ ist nach nunmehr insgesamt 28 Auktionen (die 29. findet am 4. August statt) als etabliert zu bezeichnen und soll sich künftig zu einem Kunstzentrum weiterentwickeln. In der ehemaligen Kutschengarage ist ein Vortrags- und Kiinosaal im Entstehen, der Fertigstellungstermin hängt vom Reinertrag der nächsten Auktionien ab, 25 Marmortische und 140 Thonet-Sessel aus einem aufgelassenen Wiener Kaffeehaus stehen schon' bereit.

Daß es sich bei den Versteigerungen im Schloß um qualitativ wie quantitativ sehr gut beschickte Auktionen handelt, ist auf Egermanns unbürokratische und schnelle Abwicklung zurückzuführen — und darauf, daß den Einbringern, wenn ein Stück nicht verkauft wird, keinerlei Kosten erwachsen. Wird ein Objekt verkauft, werden (wie etwa in der Versteigerungsanstalt des Wiener Dorotheums) dem Verkäufer des Gegenstandes gegenüber 25 Prozent vom Erlös abgezogen, dem Er- | werber gegenüber 12 Prozent aufgeschlagen.

Für Kenner sind die Potzneusiedler Auktionen eine echte Fundgrube. Das eingangs erwähnte Kohle-SeLbstporträt von Klimt wechselte in Potzneusiedl um 9000 Schilling den Besitzer und wechselte ihn wenig später für bereits 80.000 Schilling noch einmal. Eine gotische Truhe hingegen wurde dreimal um 2800 Schilling ausgerufen — und fand keinen Interessenten, wohl, weil sie — für diesen Preis — niemand für echt halten mochte.

Für den Herbst ist die dritte reine J ugendst i 1 -Spezäalatetion geplant. Einige Glanzstücke stehen bereit, darunter eine ausgezeichnete Galle-Vase, freilich reichlich jenseits der 10.000-Schilling-Ausrufpreisgrenze.

Aber nicht jeder, der kommt, kauft oder will kaufen. Rund ein Drittel der Besucher kommt aus reinem Interesse, zum Teil- nur zur Ausstellung der zur Versteigerung gelangenden Dinge, die an den Tagen der jeweils für 15 Uhr angesetzten Auktionen (stets Sonntage) um 10 Uhr morgens beginnt.

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