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Lombarden in Rom

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Den großen italienischen Opernhäusern ist es zur Tradition geworden, ihre Stagione mit einem Werk Giuseppe Verdis einzuleiten. Auch das Teatro dell'Opera in Rom hielt daran wieder fest, löste sich aber dadurch von jeglicher Konvention, daß es die „Lombarden auf dem ersten Kreuzzug“ für die Eröffnung hervorholte, ein Frühwerk des Meisters (1843), das niemand mehr kannte. Diesem zweifellos kühnen Versuch war überraschenderweise ein durchschlagender Publikumserfolg beschieden. Er ist nicht nur mit der unsterblichen Musik Verdis, sondern auch mit einer geradezu revolutionären Regieleistung zu erklären.

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Den großen italienischen Opernhäusern ist es zur Tradition geworden, ihre Stagione mit einem Werk Giuseppe Verdis einzuleiten. Auch das Teatro dell'Opera in Rom hielt daran wieder fest, löste sich aber dadurch von jeglicher Konvention, daß es die „Lombarden auf dem ersten Kreuzzug“ für die Eröffnung hervorholte, ein Frühwerk des Meisters (1843), das niemand mehr kannte. Diesem zweifellos kühnen Versuch war überraschenderweise ein durchschlagender Publikumserfolg beschieden. Er ist nicht nur mit der unsterblichen Musik Verdis, sondern auch mit einer geradezu revolutionären Regieleistung zu erklären.

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Die hinreißenden Rhythmen und Melodien, die virtuosen Arien und Ensembles sowie die dominierende Rolle des Chores der „Lombardi“ lassen das schon im vorangegangenen „Nabucco“ aufgefallene überragende schöpferische Genie Verdis erkennen. Dazu aber gelang es in der römischen Neuaufführung dem einfallsreichen Regisseur Luigi Squar-zina gemeinsam mit dem begabten Bühnenbildner Pier Luigi Pizzi, dieses Werk von allem zeitgebundenen, verstaubten äußerlichen Inventar zu befreien. Dadurch trat das Wesentliche, Bleibende mit bezwingender Deutlichkeit hervor, und so entstand gleichsam ein neues, auch heute durchaus bühnenwirksames, modernes Stück. Das Historisierende einer verworrenen, manchmal wenig glaubhaften Handlung wurde zur Nebensache.

Der einstmals große technische Schwierigkeiten bereitende Wechsel der ursprünglich sechzehn verschiedenen Bühnenbilder wurde durch eine feste Szene mit sparsamsten Änderungen ersetzt, die aber trotzdem die örtlichen Wandlungen des Geschehens eindeutig kennzeichneten. Symbole werden heute sofort richtig erfaßt und wirken weit eindrucksvoller als überholter, banaler Naturalismus. Squarzina wagte hier manch kühne Neuerung und stellte sich damit in die erste Reihe der wenigen italienischen Opernregis-

seure, die wirklich neue Wege suchen. Er verlieh dem Chor, der in den „Lombardi“ ein tragendes Element bildet, die führende Rolle wie im antiken Drama, indem er ihn auf zwei Tribünen postiert und während des ganzen Stückes auf der Bühne beläßt. Der religiöse Hintergrund der Handlung wurde sinnvoll dadurch angedeutet, daß die Choristen als Mönche und Nonnen gekleidet waren, und die Solvisten auf einem die Mitte der Bühne ausfüllenden Aufbau in der Form eines riesigen Kreuzes agierten.

Gianandrea Gavazzeni, der nach längerer Abwesenheit wieder am Pult der römischen Oper erschien, war als äußerst sorgsamer Leiter des mit Verve spielenden Orchesters auf strenge Werktreue bedacht. Obwohl er in der Partitur kaum Striche vorgenommen hatte, erreichte die Aufführung dank der straffen szenischen und stilistischen Behandlung ein Höchstmaß an Konzentration und Einheit, das ihr neben den prachtvollen Stimmen (besonders hervorzuheben Renata Scotto, Ruggero Raimondi und Luciano Pavarotti) zu dem durchschlagenden Erfolg verhalf. Sie dürfte zu einem neuen Markstein in der Verdi-Renaissance werden und das Werk würdig in die Reihe der in den letzten Jahrzehnten wiedererweckten Opern des Meisters von Parma eingliedern.

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