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Römische Oper auf neuem Weg

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Es gehört heute leider zu den Seltenheiten, wenn ein Operntheater seinen Spielplan nicht in erster Linie auf Kassenerfolge, sondern auf musikalische Werte ausrichtet. Welche Bühne kann sich so etwas in unserer Zeit noch leisten? Um so bemerkenswerter ist es, daß die Werke, welche die römische Oper in der diesjährigen Winterspielzeit bisher aufgeführt hat, ganz aus dem üblichen Rahmen fielen. „Orpheus und Eurydike“ von Gluck erschien in einer neuen Form, die eine glückliche Synthese der beiden großen Fassungen des Werkes für Wien (1762) und Paris (1774) darstellte. Aurel von Milloss, dem Regie und Choreographie überantwortet waren, vereinte hiebei sein überragendes Können in der bühnenmäßigen Gestaltung des Ausdruckstanzes mit einem klug durchdachten musikalisch-dramaturgischen Konzept für dieses in der Geschichte der, Oper bahnbrechend gewordene Werk. Ihm ging es darum, die mannigfaltigen Stilelemente der Handlung des antiken Mythos mit der musikalischen Sprache des Sette-cento, den großen Tanz- und Chorkompositionen des Gluckschen Musikdramas und der dichterischen Form des Textes zu einer Einheit zu verschmelzen, die auf dem Theater von heute bestehen kann. Milloss wurde dabei von den drei Solisten, den Tänzern des Balletts und den äußerst präzise singenden Choristen nicht weniger unterstützt wie von Prinz Heinrich von Hessen, der überaus wirksame und stilistisch gut gelungene Bühnenbilder und Kostüme entworfen hatte.

Weniger überzeugend war ein Versuch, Mozarts „Die Milde des Titus“ wieder aufleben zu lassen. Trotz der reichen musikalischen Schönheiten vermochte dieses späte Gelegenheitswerk zur Kaiserkrönung Leopolds II. aus dem Jahre 1791 kaum mehr als historisches Interesse zu wecken. Ein um so erfreulicheres Ereignis stellte die Aufführung des Werkes „Der Türke in Italien“ dar, eine der liebenswürdigsten Schöpfungen

Gioacchino Rossinis, dessen 100. Todestag vor kurzem in ganz Italien gefeiert wurde. Der ganze überquellende Melodienreichtum, die sprühende Leichtigkeit und das Brio der Musik lassen dieses 1814 entstandene Werk als eine der typischesten und gelungensten Bühnenkompositionen des Meisters von Pesaro erscheinen, von dem sich ganz zu Unrecht nur die Ouvertüre über die Zeiten hinweggerettet hatte. Diese erste Aufführung an der römischen Oper zeigte mit größter Deutlichkeit, daß das Werk ohne weiteres neben den großen Erfolgsstücken von Rossini bestehen kann, wenn ihm ein gut aufeinander eingespieltes Ensemble erstklassiger Künstler zur Verfügung steht. Unter diesen sind vor allem Grazieila Sciutti und Sesto Bruscan-tini hervorzuheben, die neben den anderen Mitwirkenden vom Dirigenten Francesco Cristofoli Zu besten Leistungen angespornt wurden. Eine der Handlung entsprechende anmutige Wirkung ging von den farbenfreudigen Bühnenbildern und Kostümen aus, die Gottfried Neumann-Spallart für die Festspiele in Bregenz entworfen hatte. Die aufgelockerte Spielleitung von Carlo Pic-cinato verlieh der Aufführung eine erquickende Lebendigkeit, der alles Stereotype und Konventionelle fernblieb. Das Publikum spendete der erfreulichen Wiedererweckung des Werkes begeisterte Aufnahme.

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