6573401-1950_31_07.jpg
Digital In Arbeit

Grazer Festspiele 1950

Werbung
Werbung
Werbung

Drei Abende, von denen jeder In seiner Art als Ereignis gelten konnte, gaben den Grazer Festspielen in diesem Jahre besondere Anziehungskraft. War es das eine Mal der Rahmen eines prachtvollen Naturtheaters.wie man in Österreich kaum ein zweites findet, und seine landschaftsgebundene Atmosphäre, die den Reiz des Außergewöhnlichen und eine ganz spezifische Note in den Veranstaltungsreigen brachte, so bedeutete zum anderen die Grazer Erstaufführung eines auch in Wien so gut wie unbekannten Strawinsky-Orato-riums eine erlesene Variante in dem sonst recht konservativen Konzertprogramm, der selbst die eingefleischten Gegner der Monderne nicht ohne Erwartung entgegensahen. Von der Seite der Interpreten her aber erhielten die Spiele ihre dritte Besonderheit, denn neben den alljährlich kommenden Gästen aus Wien (Symphoniker, Burgtheater, Staatsoper) war mit den Münchner Philharmonikern zum erstenmal seit 1945 ein Orchester aus dem deutschen Nachbarland zu Gast. ,

Was nun die Einbeziehung der Schloßbergbühne betrifft, so ist von ihren szenischen und musikalischen Möglichkeiten und nicht zuletzt von ihrem inspirativen Milieu jene tragende Idee für künftige Festwochenprogramme zu erwarten, die' an Stelle der heute noch üblichen Reihung mehr oder minder wertvoller Einzelveranstaltungen eine Gruppierung und Sammlung um einen geistigen Zentralpunkt treten läßt. Mit dem Straußschen Friedenstag', einem mehr gekonnten als ein-fallsgesegneten Alterswerk, war in dieser Richtung allerdings noch kein Schritt getan, wiewohl die Aufführung vor allem im Szenischen Format hatte und optisch in den Kasematten einen die Stückwahl doch rechtfertigenden Rahmen fand, der sich in'der feinsinnigen und effektvollen Raumgestaltung durch Gottfried Neumann-Spallart zu einer prächtigen historischen Folie verwandelte. Vor und in ihr spielten die von Adolf Rott geschickt geführten Akteure in bildhaften Einzel- und Massenszenen mit packender Natürlichkeit.

Strawinskys .Oedipus rex“, im Jahre 1926 geschrieben, Ist als Opernoratorium und als Wiederbelebungsversuch der antiken Tragödie ein Vorläufer der Orffschen „Antigonae“. Die Aufführung, bis ins letzte Detail sauber studiert und von starken geistigen und musikalischen Energien getragen, zeigte den A-capella-Chor des Dirigenten (Ernst Märzendorfer) stimmlich, rhythmisch und geistig auf voller Höhe, das Orchester der Sendergruppe Alpenland und die Solisten waren in Stil und Diktion ganz auf die Substanz und Eigenart des Werkes abgestimmt.

Einen erlebnishaften Eindruck hinterließen in zwei Konzerten die Münchner Philharmoniker, die sich als qualitativ hochstehender Klangkörper von weltstädtischer Präzision und beispielhaftem seelischem Gleichklang erwiesen. Was intensives Führen der Musiker und stilsicheres Gestalten betrifft, zeigte sich ihr Chef FritzRJegerals zwingende Persönlichkeit, die mit wenig Aufwand viel erreicht und unterschiedlichste musikalische Aussagen überzeugend darzustellen weiß. So wurde unter Riegers Stab Beethovens .Vierte“ ebenso zum Erlebnis wie die „Siebente“ von Bruckner oder der bajuwarisch-derb angelegte „Eulenspiegel und ein Klavierkonzert von Bach, das der Dirigent vom Flügel aus dirigierte. — Ein kirchenmusikalisches Ereignis verdient noch vermerkt zu werden: Domkapellmeister Dr. Lippe brachte im Dom eine Messe des italienischen Zeitgenossen Lincinio Refice zur Aufführung, ein sehr kantables Werk für Chor, Bläser und Orchester, in der die etwas dekorative Religiosität der Südländer in aparter Harmonik und Intervallschritten ä la Puccini einen musikantischen und in manchen Steigerungen auch erschütternden Niederschlag findet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung