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Satire, Roman und „Dokumente“
Pietro Germi ist ein unerschrockener Regisseur, der auch in amüsanter Komik bittere Wahrheiten auszudrücken versteht. Sein neuester Film „Signore e signori“ mit dem unmöglichen deutschen Titel „Aber, aber... meine Herren“ ist im Gegensatz zu den beiden vorhergegangenen sozialkritischen Streifen ein Episodenfilm, doch seine satirischen Angriffe zielen in die gleiche Richtung: gegen die Verlogenheit der äußerlichen Moralbegriffe. — Eine Satire muß überspitzt und komprimiert sein, doch im Kern der Komik ist viel bittere Wahrheit verborgen. Wenn nur der Schein und die Konvention gewahrt blei- beii, ist. man zufrieden, heimlięfr erlaubt ipian Sich manche verbotenen Eskapaden. So treffsicher Germi gegen diese Verlogenheit zu Felde zieht, übersieht er aber offensichtlich die andere Seite dieses Problems. So verwerflich die Pharisäer- haftigkeit des mittleren Bürgertums sein mag, die Auflösung jeder unbequem gewordenen Bindung, die Entbindung von jeder Verpflichtung würde chaotische Zustände aus- lösen. Man muß Germi allerdings recht geben, wenn die Gesellschaft die Doppelmoral inoffiziell institutionalisiert.
Boris Pasternaks Roman „Doktor Schiwago“ wurde von David Lean mit gewaltigem Aufwand und beachtlichem Bemühen verfilmt, wenngleich auch manche Akzente der literarischen Vorlage verändert werden mußten und trotz überlanger Filmdauer der Stoff und die feinere Ziselierung der Charaktere einfach zu kurz kommen mußten. Es blieb immerhin ein interessantes Lebensbild eines russischen Arztes, der von der Jahrhundertwende an durch jene bewegten und grausamen Jahrzehnte bis in die Zwischenkriegszeit begleitet wird. Und inmitten dieser sich überstürzenden Ereignisse tritt dieser Mann für das Ideale und Schöne ein und stellt sich auch gegen den ausbrechenden Fanatismus, dem er zumindest in seinem Lebensbereich die Stirn zu bieten versucht. Vielleicht führt der Film zur Lektüre des Romans hin und bewirkt eine umfassende Kenntnisnahme und Auslotung der literarischen Vorlage. Dies wäre immerhin ein zusätzlicher Verdienst dieses imposanten Farbfilms.
„Africa addio“ nennt sich Gual- tiero Jacopettis berüchtigtes Pseudodokument über das sich gewaltig wandelnde Afrika, das nunmehr doch in den heimischen Kinos gezeigt wird. Der Dokumentationswert ist mehr als fragwürdig, zumal sich Jacopettis Zynismus mit einem sensationslüsternen Fanatismus auf alle nur erreichbaren Abseitigkeiten stürzt und jede positive Seite
Afrikas beharrlich unterschlägt. Jacopetti mißbraucht die journalistische Freiheit schamlos, um seinen Film mit allen nur erdenklichen Grausamkeiten von Menschen an Mensch und Tier anzufüllen, wodurch im Interesse des reißerischen
Effekts ein völlig verzerrtes Bild dieses Kontinents entsteht. Ähnlich wie bei seinem Film „Mondo cane“ wird sich vermutlich ein Publikum finden, dem diese blutrünstigen Scheußlichkeiten ein gewisses Nervenkitzel verursachen.
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