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Das Haus, aus dem sie kommen

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Sein offizieller Titel lautet „Staatliches Akademisches Großes Theater der UdSSR“. Bolschoi bedeutet groß. Und groß ist es in der Tat mit seinen 2100 Sitzplätzen und der majestätischen Fassade, die mit acht 15 Meter hohen Säulen und von einem Bronze-Apoll mit Quadriga geschmückt ist. Das Haus besitzt sechs Ränge in Rot und Gold, ein 20 Meter hohes Bühnenportal (die Bühne selbst ist 26 Meter breit und 25 Meter tief) — und eine ausgezeichnete Akustik.

Der Vorläufer des Bolschoi- Tjatr ist die 1776 vom Fürsten Urussow begründete Schauspielbühne. Mit 74 leibeigenen Schauspielern wurde zunächst im Hause Woronzow an der Snamenka gespielt, bis 1780 an der Petrowka ein Haus errichtet wurde, das aber 1805 abbrannte. Ossip Iwanowitsch Beauvais hat in den Jahren 1821 bis 1824 an der gleichen Stelle ein neues großes Theatergebäude errichtet, in dem Opern, Sprechstücke und Ballette gegeben wurden. Dreißig Jahre später wurde auch dieses durch eine Feuersbrunst zerstört. Jetzt baute es der russische Architekt Albert Cavos neu auf, indem er die klassizistischen Elemente noch mehr als früher betonte.

In den zwanziger Jahren wurde das ganze Gebäude restauriert und vor allem neu untermauert. Die Schäden, die es 1943/44 erlitt, hat der Architekt Welikanow beseitigt. Die technischen Anlagen wurden perfektioniert und die Werkstätten vergrößert. Etwa 1950 waren diese Arbeiten abgeschlossen. 1964 erhielt das „Bol- schoi-Tjatr“ eine Probebühne im 4. Stock.

Doch den entscheidenden Schritt tat man erst vor genau zehn Jahren, als im Kongreßhaus des Kreml eine riesige, 6000 Personen Platz bietende Bühne mit mehr als 40 Reihen und zwei dar- übergesetzen Galerien eingerichtet wurde. Hier spielt das Ensemble des „Bolschoi-Tjatr“ zweiundzwanzigmal im Jahr (etwa achtmal Oper, sonst große Ballette).

Etwa 50 bis 60 Opern und Ballette stehen im Repertoire dieses Theaters, von denen alljährlich innerhalb von zehn Monaten 25 bis 30 gegeben werden. Zum Ensemble des „Bolschoi-Tjatr“ gehören 65 Solisten und 300 Musiker. Sein Chefdirigent ist der 30 jährige Juri Simonow, sein Chefregisseur heißt Boris Petrowski.

Vom 5. bis 14. Oktober wird dieses Ensemble in der Staatsoper je dreimal „Boris Godunow“, „Pique Dame“ und „Krieg und Frieden“ von Prokofieff spielen. — Zur gleichen Zeit gastiert die Wiener Staatsoper in Moskau mit je drei Aufführungen von „Hochzeit des Figaro“, „Der Rosenkavalier“ und „Tristan und Isolde“ (leider nicht mit Bergs „Wozzeck“, dessen Text dort wohlbekannt ist).

Von den etwa zehn Millionen Schilling, die dieses Austauschgastspiel kosten wird, hofft man einen beträchtlichen Betrag wieder hereinzubekommen, zumal die Nachfrage nach Karten hier und dort sehr groß ist. Finanziell ist das ganze so geregelt, daß das Gastland die Unterbringung des gesamten künstlerischen und technischen Personals übernimmt und allen Beteiligten ein Taschengeld auszahlt, während die Gagen aller Ausführenden vom Stammhaus getragen werden.

Für Wien und sein Opernpublikum bedeutet dieser Besuch der Moskauer eine erste Begegnung mit dem gesamten Opernensemble und der Ausstattung der größten Bühne der UdSSR.

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