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Ein Baumriese auf Rädern für Janäcek

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Salzburger Festspiele - das sind Dirigenten-, Sänger- und Regiestars, das sind ständig steigende Zuschüsse zur notwendigen Defizitabdeckung. Das sind aber auch jene rund 60 Handwerker hinter den Kulissen, die das ganze Jahr hindurch für jene perfekten optischen und akustischen Voraussetzungen sorgen, ohne die auch in Salzburg nichts laufen würde.

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Salzburger Festspiele - das sind Dirigenten-, Sänger- und Regiestars, das sind ständig steigende Zuschüsse zur notwendigen Defizitabdeckung. Das sind aber auch jene rund 60 Handwerker hinter den Kulissen, die das ganze Jahr hindurch für jene perfekten optischen und akustischen Voraussetzungen sorgen, ohne die auch in Salzburg nichts laufen würde.

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Wenn sich der Vorhang zu den Premieren der Festspiele hebt, so geht es hinter den Kulissen zwar immer noch sehr geschäftig zu, aber alles läuft jetzt eigentlich am Schnürchen, gleich perfekt von der ersten bis zur letzten Vorstellung. Ob nun in der „Frau ohne Schatten" von Richard Strauss die silberglänzenden Fischlein wie durch Zauber vom Schnürboden herunterschweben oder ob in Leos Janäceks „Aus einem Totenhaus" im dritten und im fünften Bild ein Baumriese wie festgewurzelt auf der Bühne steht und die übrige Zeit gar nicht erdverbunden auf einem fahrbaren Gestell auf seinen Auftritt wartet - alles ist bis ins kleinste Detail vorbereitet und wirkt so, als könnte es gar nicht anders sein.

Was so reibungslos zu funktionieren scheint, ist jedoch das Ergebnis einer mehr als ein Jahr dauernden Arbeit, an der in speziellen Fällen ein wahres Großaufgebot von Künstlern, Handwerkern, Technikern und Bühnenarbeitern beteiligt ist. Imre Vincze, Ausstattungsleiter der Salzburger Festspiele, schildert den Ablauf so: Noch im Frühling des Vorjahres müssen die Bühnenbildentwürfe für jene Aufführungen vorliegen, die ein Jahr später im Juli und August in Neuinszenierungen zu sehen sein werden. Bis zu sechs Wochen lang wird dann im Ausstattungsatelier der Festspiele ein Modell gebaut und die Funktion der einzelnen Dekorationsstücke ausprobiert, ehe die Aufträge an die Werkstätten ergehen. Das sind zumeist die der Festspiele selbst; denn so viel wie möglich wird in Eigenregie gemacht. Auch die 180 überlebensgroßen Totenköpfe, die demnächst in der Janäöek-Oper eine Mauer zieren, wurden hier angefertigt oder jene im wesentlichen aus Holzplatten bestehende Dekoration für Richard Strauss' Oper „Salome", die mittels Sandstrahl eine spezielle Oberflächenstruktur erhielt.

Mancher Auftrag muß allerdings doch außer Haus vergeben werden, etwa der fahrbare Baumriese für „Aus einem Totenhaus". Er ist zehn Meter hoch, hat einen Stammdurchmesser von zwei und eine Kronenbreite von 18 Metern. Obwohl er von einer Spezialfirma in Leichtbauweise angefertigt wurde, ist er rund zweieinhalb Tonnen schwer. Das geht in vielerlei Hinsicht über die Kapazität der Festspielwerkstätten hinaus, in denen das ganze Jahr über rund 60 Spezialisten am Werk sind: Tischler, Schlosser, Bildhauer, Maler, Tapezierer, Beleuchter, Akustiker.

Auch das Skelett einer Kathedrale, das bei der Oper „Saint Francois d'Assise" von Olivier Messiaen in der Felsenreitschule eine im wahrsten Sinn des Wortes tragende Rolle spielt - es muß einen 120köpfigen Chor aushalten - wurde außer Haus gebaut. Es handelt sich dabei um eine bis zu vierzehn Meter hohe Holzkonstruktion. „Das ist eine Zimmermannsarbeit von einer Größenordnung, wie wir sie in den Tischlerwerkstätten der Festspiele nicht ausführen können", sagt Vincze.

Aber es liegt nicht nur an der Größe. Das zeigt der prächtig-weiße Pfau, und Karl-Ernst Hermann seine Räder schlagen wird. „Beigebracht" hat ihm das ein Feinmechaniker aus der Steiermark. Hausgemacht sind dagegen die hölzernen Kapitelle aus der durchgehend weißen Titusdekoration oder das mit Industriefilz bespannte „Lehmhaus" der Färberin in der „Frau ohne Schatten".

Sind alle Dekorationsstücke da, wird geprobt. Das heißt, mit dem Ausprobieren fängt man schon früher an, zuerst am Modell und sehr früh schon auf der Bühne mit markierter Dekoration. „Diese Bauprobe ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg vom Bühnenbildentwurf zur fertigen Dekoration", meint Vincze, der zusammen mit zwei Assistenten, dem technischen Direktor, dem technischen Leiter und deren zwei Mitarbeitern das Jahr über dafür sorgt, daß in der Festspielzeit auch hinsichtlich der Ausstattung höchste Qualität geboten wird.

In den Wochen intensivster Probenarbeit vor Festspielbeginn steht dann für jedes Stück ein eigener technischer Leiter und ein Ausstattungsmitarbeiter zur Verfügung. Auch zusätzliche Bühnenarbeiter sind jetzt mit von der Partie. Bei den Proben wird dann jeder Ablauf auf der Bühne endgültig fixiert: die Gänge, die die Sänger oder Schauspieler tun, ebenso wie jeder einzelne Handgriff, den die Bühnenarbeiter und -techniker ausführen müssen. Und wenn irgendein Ausstattungsstück nicht so funktioniert wie geplant, muß manchmal über Nacht eine neue Lösung her.

So wurde beispielsweise jener Felsen, aus dem in der „Frau ohne Schatten" der vor dem Versteinern gerettete Kaiser heraustreten soll, ein zweites Mal angefertigt, und zwar diesmal aus Schaumgummi. Der erste „Fels" hatte sich für diesen Auftritt als zu wenig elastisch und daher ungeeignet erwiesen.

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