Afghanistan: Mut macht Schule
Susanne Glass über die mutigen Frauen Afghanistans.
Susanne Glass über die mutigen Frauen Afghanistans.
Diese Nachricht aus Afghanistan hat mich überrascht: Die Taliban erlauben seit Kurzem an einer Mädchenschule in Kabul Unterricht in Englisch und Naturwissenschaften – neben dem Studium des Koran, das natürlich weiterhin im Mittelpunkt steht. Seit ihrer Machtübernahme vor genau zwei Jahren, die für immer mit dem schrecklich-peinlichen Versagen der Weltgemeinschaft verbunden bleiben wird, haben die Taliban Frauenrechte in einem beispiellosen Vorgehen außer Kraft gesetzt. Die Vereinten Nationen sprechen von „Geschlechter-Apartheid“. Frauen sind vom öffentlichen Leben größtenteils ausgeschlossen.
Mehr als einer Million Mädchen und junger Frauen wird der Zugang zu Schule und Universität verwehrt. Ab der sechsten Klasse dürfen sie nur noch in Religion – an einer Madrasa – unterrichtet werden. Nun gibt es also seit Juli diese eine Madrasa, an der die Schülerinnen auch Englisch und Mathe lernen. 500 haben sich dort inzwischen eingeschrieben. Ihre Eltern zahlen umgerechnet fünf Euro Schulgebühr pro Monat. Das ist in Afghanistan, wo 90 Prozent der Menschen an der Armutsgrenze leben, sehr viel Geld. Aber die Eltern investieren es in verzweifelter Hoffnung in die Zukunft ihrer Töchter. Für einen Beitrag über diese Schule haben wir Mitarbeiter vor Ort zu den Taliban geschickt. Wir wollten wissen, ob es künftig noch mehr solcher Madrasas geben soll. Bekommen haben wir eine ausweichende Larifari-Antwort. Aber die Kollegen haben bei ihrer Recherche noch mehr gefunden: Mittlerweile unterrichten viele Lehrerinnen heimlich. Die Mädchen kommen einzeln, als ob sie eine Verwandte besuchen würden. Natürlich haben alle Riesenangst, dass jemand sie an die Taliban verrät. Ich habe großen Respekt vor diesen mutigen Frauen. Und ich wünsche ihnen von Herzen, dass ihr Mut weiterhin Schule macht.
Die Autorin ist Redaktionsleiterin Ausland und politischer Hintergrund beim Bayerischen Rundfunk.
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