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Rote Tupfer überwiegen

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Die Regierungserklärung von Bundeskanzler Fred Sinowatz ist von der SPÖ-Handschrift geprägt und entspricht dem Wahlergebnis und dem Stärkeverhältnis der neuen SPÖ-FPÖ-Koalition. Auch eine SPÖ-Alleinregierung hätte 90 bis 95 Prozent dieser Regierungserklärung übernehmen können.

Sie stellt keinen radikalen „Kurswechsel“ ä la ÖVP, son-

dern eine Fortsetzung des „österreichischen Weges“ unter Bruno Kreisky dar. Sie basiert auf der SPÖ-Wahlplattform und dem Arbeitsübereinkommen zwischen SPÖ und FPÖ.

Die Philosophie hinter dem Grundsatzpapier der Regierung Sinowatz 1 ist daher auch keine rein technokratische, keine Betonphilosophie. Diese Regierungserklärung versucht eine Brücke zu schlagen zwischen notwendigem wirtschaftlichen.

Wachstum und Lebensqualität, zwischen Technik und Natur, zwischen Ökologie und ökonojnie.

Ein möglichst hohes Beschäftigungsniveau in einer weltweiten Wirtschaftskrise wird genauso wichtig genommen wie die Reduzierung des Raubbaues an Mensch und Natur, verursacht durch eine brutale Konkurrenzgesellschaft.

Etwas Beton raus und mehr Grün und Sinnlichkeit rein heißt die Devise. Eine Integration von Denken, Planen und Handeln soll eine rein technokratische Sicht von Problemen, die in den letzten Jahren zu einem verstärkten Riß zwischen den Generationen geführt hat, ablösen.

Dieses integrative Denken, diese Philosophie hinter der Regierungserklärung ist eindeutig sozialistisch. Wenn sie in der Zwischenzeit auch von anderen politischen Gruppierungen — zumindest verbal — übernommen worden ist, umso besser.

Die Fessel der technischen Zwänge wird zurückgedrängt. Der Stellenwert des Menschen, des Subjekts der Geschichte, wird verstärkt.

Rote Tupfer der Regierungserklärung sind auch die Passagen über die drohende Gefahr eines Krieges und die drohende Vernichtung der Menschheit angesichts der bis an die Zähne nuklear bewaffneten Supermächte und des Hungers in der Welt; der Aufruf zur Abrüstung und zum Kampf gegen die Geißel der Arbeitslosigkeit und die Warnung vor der Zerstörung der Natur und der Lebensräume.

Auch das eindeutige Bekenntnis zur Entspannungspolitik und die erhöhte Sensibilität für den Umweltschutz und für eine weitere Humanisierung des Arbeitsplatzes sind Ausdruck des roten Grundtenors der Regierungserklärung.

Ein Kernstück bildet das Bekenntnis zum Privilegienabbau und zur Sauberkeit in der Politik, die in den letzten Jahren in Österreich — so wie in anderen Ländern auch — ins Rutschen gekommen ist. Hier werden klare Positionen bezogen.

Auch die Betonung von öffentlichen Investitionen und der Ver staatlichten Industrie für die Erhaltung eines möglichst hohen Beschäftigungsniveaus in Österreich stellt eine Fortsetzung des „österreichischen Weges“ unter Bruno Kreisky dar.

Die Dialektik zwischen Ideen, Idealen, Visionen und Utopien einerseits und der Aufforderung durch Bundeskanzler Sinowatz, konkrete Arbeit zu leisten, runden den grundsätzlich sozialistischen Charakter der Regierungserklärung ab.

Vorerst steht diese Absichtserklärung der SPÖ-FPÖ-Koalition noch auf dem Papier. Unterschiede in der Interpretation könnten sich zeigen.

Die konkrete Erfahrung mit der SPÖ-Alleinregierung in den letzten 13 Jahren, das Gewicht der SPÖ in der Koalition und politische Klugheit der FPÖ vorausgesetzt, geben Anlaß zur Annahme, daß in den nächsten vier Jahren Papier auch möglichst nahtlos in politische Praxis umgesetzt werden wird.

Der Autor ist Pressesekretär von Wissenschaftsminister Heinz Fischer.

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