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Regierung Kreisky II im Amt
Das Echo auf die Regierungserklärung war gedämpft. Man könnte sich darauf ausreden, daß die Jagd auf die drei Ausbrecher dem Bundeskanzler die „Show gestohlen“ habe. Es ist aber eher umgekehrt: Die Zeitungen wie die Regierung könnten von Glück sprechen. Denn dieser zweiten Regierungserklärung einer sozialistischen Alleinregierung fehlte der Glanz der ersten. Es fehlten nicht nur die großen Zitate von damals wie das aus Schillers „Don Carlos“ und dergleichen mehr und nicht nur die Berufung auf die großen Ahnen der Republik. Es fehlten weitgehend auch die Konturen. Der große Wurf blieb aus.
Damals, am 28. April 1970, sprach die „AZ“ von einer „historischen Regierungserklärung Kreiskys“. Diesmal lautete die Schlagzeile: „Kreisky umreißt Regierungsarbeit.“ Und damals hieß es programmatisch: „Mit einem umfassenden Reformprogramm in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wird die erste sozialistische Regierung Österreichs das zweite Vierteljahrhundert des Bestehens der Zweiten Republik einleiten.“ Jetzt sprach das Zentralorgan der SPÖ viel bescheidener, ja, etwas kleinlaut von „Aufgaben, deren Lösung sich das neue sozialistische Kabinett in den nächsten vier Jahren vorgenommen hat“. Also kein Programm, kein Vierteljahrhun- dert. Ist es nur der Stil, der sich da offensichtlich geändert hat? Oder kündigt sich damit auch ein Wandel in der Arbeitsmethode dieser Regierung an? Man weiß es noch nicht, aber man wird es schon bald merken.
Vorläufig steht alles nur auf dem Papier. Es ist nicht wenig.
Und es ist vor allem nicht schlecht, und es liest sich gut, wenn da steht: „Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, einen Staat der Wohlfahrt für alle zu verwirklichen.“ Ist aber ein solches Ziel nicht etwas Selbstverständliches? Oder kann man sich eine Regierung vorstellen, die erklärt, sie sei nicht für eine Wohlfahrt für alle? Ebenso selbstverständlich muß eine Bundesregierung „alles tun, um ein Klima der Nüchternheit und der sachlichen Kooperation zu schaffen“, wenn sie die Mehrheit hat. muß eine Regierung eigens betonen, daß sie „Kritik mit gebotenem Ernst zur Kenntnis nehmen und Vorschläge mit entsprechender Sorgfalt prüfen“ wolle?
Es wird Sache der parlamentarischen Opposition und darüber hinaus der kritischen Öffentlichkeit dieses Landes sein, alle schönen und guten Vorschläge der Regierung, die vorläufig nur auf dem Papier stehen, im Zuge ihrer Verwirklichung auf ihre Verwirklichbarkeit und im Hinblick auf ihre guten oder schlechten Auswirkungen „mit entsprechender Sorgfalt" zu prüfen. Die angekündigte Wohnbautätigkeit, die ebenfalls angekündigte Spitalsreform, den angekündigten Umweltschutz und noch vieles andere mehr. Es wird zugleich eine kritische, an der nüchternen Wirklichkeit orientierte Prüfung jener „sozialdemokratischen Grundsätze“ sein müssen, von denen sich die Bundesregierung, nach den Worten des Bundeskanzlers, bei ihrer künftigen Reformarbeit leiten läßt.
Auch das ist eine Selbstverständlichkeit.
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