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Digital In Arbeit

Von Grufties und Klo-Männern

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Eigentlich wollte er ja ein Zimmer in einem Altersheim, der Protagonist des Stückes „Zimmer frei", aber dann kommt es doch ganz anders. Das Zimmer ist noch belegt, und der pensionierte Steuerbeamte stößt in einem Szene-Beisl auf das Angebot eines flippigen Gruftie-Mädchens, das ein Zimmer vermietet. Eine turbulente Geschichte nimmt ihren Lauf...

„Zimmer frei", so heißt das Stück der Schweizer Jugendtheatergruppe Spilkischte, der ältesten Truppe ihrer Art in der Schweiz. Zu sehen ist es im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaterfestivals „Szene bunte Wähne" am 8. und 10. Oktober in Krems beziehungsweise St. Pölten. Es ist eine „feine und sensible Arbeit", sagt Stephan Rabl, künstlerischer Leiter der „Bunten Wähne". Dabei sei nichts von außen aufgesetzt, das Wesentliche in der Darstellung käme von innen her.

Diese Darstellung von innen her ist übrigens ein Qualitätsmerkmal für gutes Kinder- und Jugendtheater, das unterstreicht auch Stephan Rabl. Genau darin liegt sein besonderer Reiz. Und der zieht längst nicht nur die ganz jungen Zuschauer in seinen Bann. Erwachsene, die emotional offen sind, werden erfahrungsgemäß stark von diesen Produktionen angesprochen.

Theater ohne Worte

Atmosphäre, freies Assoziieren und eigene Phantasie sind dabei wichtiger als intellektuelle Dialoge oder besonders ausgeklügelte schauspielerische Gustostückerln. Das heißt nun nicht, daß es in der „Bunten Wähne" keine Glanzleistungen zu sehen gäbe, ganz im Gegenteil. Aber sie sind kein Selbstzweck, sondern wurzeln in der gelungenen Interpretation. Technik um ihrer selbst willen macht auf Kinder keinen Eindruck. Und auf viele Erwachsene auch nicht.

Ähnliches gilt für die Sprache. So läßt es sich wohl erklären, daß die „Bunte Wähne" auch Stücke zeigt, in denen gar nicht gesprochen wird, zum Beispiel „Feuchtigkeit" von der Lu-bliner Gruppe „Seena Plastyczna Kul". Vergleichbar ist es am ehesten mit den Produktionen des „Serapionstheaters" in Wien, aber doch wieder ganz anders. Konstitutive Elemente sind Musik, Masken und Licht.

Es geht um Feuchtigkeit, tropfendes Wasser, und davon ausgehend wird der Zuschauer hineingeführt in Urinstinkte der Menschheit: Geburt, Tod, Gotteserfahrung und Liebe. „Ein Sehnsuchts- und Angstspiel", nennt es Stephan Rabl. Er selbst ist schon neugierig, wie das Publikum darauf reagieren wird. Es sei ein großes Experiment sagt er.

Zug in die Kindheit

„Feuchtigkeit" wird ab einem Alter von 16 Jahren empfohlen, das heißt, es ist eigentlich ein Stück für Erwachsene. Aber das sind im Grunde ja viele, fast alle der „Bunte Wähne"-Produktionen. Es kommt nicht darauf an, wie alt jemand ist, sondern ob und wie sehr er sich von dem Geschehen auf der Bühne berühren läßt.

Berührend ist auch das Stück „Nachtzug" des dänischen Ensembles „Odder". Es erzählt die Geschichte von drei ehemaligen Kindheitsfreunden, die einander zufällig auf einem Bahnhofsklo wiedertreffen. Einer arbeitet dort als Klo-Mann, einer ist Arbeiter geworden, der dritte Manager. Die vorbeidonnernden Schnellzüge nehmen die drei Männer quasi mit, zurück in ihre Kindheit.

Ein Intellektueller, ein Träumer und ein etwas ungehobelter Draufgänger - das waren sie auch schon in ihrer Kindheit und Jugend. Die Figuren gleiten mühelos (und ohne äußere Veränderung) von einem Lebensalter ins andere. Und wieder scheint es diese Darstellung von innen her zu sein, die das Stück so glaubhaft macht. Und so zugänglich.

„Wir haben es zwar in Dänisch gesehen, aber wir hatten immer das Gefühl, wir haben jedes Wort verstanden", erzählt Stephan Rabl. Eine bessere Kritik kann ein Theaterstück wohl nicht bekommen. Selbst schuld, wer diese Stücke links liegen läßt, nur weil sie nicht in einem „ernsthaften" Theater gespielt werden.

Alle anderen, denen das egal ist, können zwischen 24. September und 11. Oktober in Horn, Zwettl, Möd-ling, Baden, Wiener Neustadt, St. Pölten oder Krems Produktionen genießen, die sicher nicht so schnell wieder zu sehen sein werden. Genauere Informationen sind unter der Telefonnummer 0222/531 10/3521 zu erfragen.

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