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Der Bildhauer Anton Hanak und Linz: Erinnerung an einen Kunstskandal - als Nachtrag zur sommerlichen Salzburger Errgung.

Vor fast hundert Jahren, anno 1907, fasste ein Bürger von Linz, der Gemeinderat Josef Helletzgruber, seines Zeichens wohlsituierter Bäckermeister, den Entschluss, seiner Vaterstadt einen Monumentalbrunnen zu stiften. Er lud dazu nur drei Künstler ein, sich an einer Konkurrenz zu beteiligen: Franz Andri, seit 1905 Präsident der Secession in Wien, Leopold Forstner, der 1907 das erste Jugendstilwerk für Linz schuf (die Mozartgedenktafel vom Platz bei der Klosterstraße) - und Anton Hanak.

"Freude am Schönen"

Aus Mähren 1889 nach Wien gekommen, hatte Hanak bei einem Möbeltischler und Holzbildhauer gelernt und war am 1. Mai 1883 freigesprochen worden. Jetzt wurde er als Geselle bei Bildhauer Swoboda eingestellt, zog auf die Walz in die Slowakei und nach Ungarn, 1894 über Linz und Wels nach Passau, nach München und nach Augsburg. In der Winterzeit im Abendkurs der Staatsgewerbeschule wurde er bei Anton Brenek mit dem damals gültigen späthistoristischen Stil vertraut. 1898 bestand er die Aufnahmsprüfung an der Akademie in Wien und wurde Schüler von Edmund Hellmer. Hanak arbeitete in Stein, er bereitete Wachsfiguren in einer Bronzegießerei für den Guss vor, 1902 war er in Hellmers Privatklasse im Prater-Atelier. Im gleichen Jahr nahm er erstmals an einer Ausstellung im Hagenbund teil, 1903 erhielt er den ersten Auftrag für eine Gedenktafel Queen Victorias in der Christ Church im 3. Bezirk. Nach einer Italienreise bezog Hanak 1904 ein eigenes Atelier in Wien, 1905 ist er mit einer Mädchenbüste "Zukunft" in der Wiener Secession vertreten und wird dort Mitglied. Mäda Primavesi und Karl Wittgenstein förderten ihn. Hanaks Ansehen muss so gewachsen sein, dass er die Einladung für das Linzer Vorhaben erhielt. Sein Vorschlag einer modernen Lorelei, einer Mädchenplastik im Zentrum des geplanten Brunnens, bringt den Sieg über Andri und Forstner. Hanak änderte zwar noch viel an dem ersten Entwurf, er ergänzte Details mit Froschköpfen am Brunnenrand - seine "Freude am Schönen" fand zwar Widerspruch bei der Wiener und der lokalen Presse, die Künstler-Kollegen der Secession waren aber voll des Lobes: Der sitzende Mädchenakt für diesen Brunnen ist von vollkommener Geschlossenheit und Ruhe. Der Körper ist weich modelliert, das Gesicht fast idolhaft stilisiert, es verzichtet auf naturalistische Details, ist auf Wesentliches reduziert und bewirkt dadurch eine eindrucksvolle Monumentalität. Der Kunstkritiker Joseph August Lux schrieb in einem Brief an Hanak voll Begeisterung: "Der Stein ist geladen mit Leben, Leben, Leben - man steht und staunt."

Zeichen der Moderne in Linz

Die "Freude am Schönen" war die erste Monumentalplastik für den öffentlichen Raum, die Hanak geschaffen hat. In der ältesten Parkanlage der Stadt Linz war und ist sie ein Zeichen der Moderne, ein weiblicher Akt öffentlich zur Schau gestellt - und das war 1908 schon eine kühne Tat!

Jahrzehnte waren vergangen. Linz hatte die Umstellung zur Industriestadt geschafft. Die Donaustadt hatte harten Tribut zahlen müssen im Bombenkrieg, die Götterdämmerung war über die Stadt gekommen, die sich "tausend Jahre" im Glanz eines gleisnerischen Lichts gesonnt hatte.

Zur Jahrhundertmitte waren die ärgsten Wunden vernarbt. Neuer Geist, neue Ideen, neue künstlerische Freiheit waren gekommen. Einer der Gestalter des geistigen Aufschwungs war es, ein städtischer Beamter (der in diesem Jahr verstorbene Hanns Kreczi), der durch das Kulturamt 1951 eine der späten Plastiken aus dem Schaffen des 1934 verstorbenen Bildhauers Hanak erwarb, um sie als Denkmal aufzustellen: die Figur eines Mannes, der aus dem Stahlgewitter, aus Drang und Verfolgung hervorgegangen war.

Nackter Mann als Denkmal

Die Chronik meldet für den 19. Mai: "Hanaks Bronzestatue Der brennende Mensch' wird von Bürgermeister Dr. Koref auf dem Schillerplatz enthüllt." Unmittelbar an der Landstraße stand auf einem Steinblock mit der Aufschrift NACH KRIEG UND ZERSTÖRUNG ERRICHTET 1951 Anton Hanaks Meisterwerk.

Ein ins Auge fallender Platz war dafür gefunden worden: unmittelbar vor dem Gebäude der Studienbibliothek, dem modernsten Bauwerk des Ständestaates, stand er auf einer kleinen Rasenfläche: Der brennende Mensch. Es sollte ein Symbol sein, ein Zeichen auch für spätere Zeit. Die "männlichen Niobiden" nennt Wolfgang Krug in der Monografie über den Bildhauer die Reihe der erschütternden Figuren "Der betende Mensch", "Der Neuerer", "Der Fanatiker", "Der letzte Mensch", "Der brennende Mensch", "Der Wendepunkt", "Der Überwinder".

"Vor mir liegt alles im Werden, eine verwüstete Welt: hinter mir ist alles zugrunde gegangen. Ich selbst bin verkohlt und gleiche dem Baum, in den der Blitz geschlagen, und der verkohlt wohl noch zum Himmel ragt. In dieser furchtbaren Stimmung habe ich meine letzte Arbeit aufgerichtet und will sie bald abschließen: den brennenden Menschen", schreibt Hanak in einem Brief an Hedwig Steiner am 10. Jänner 1923

Bereits in die Knie sinkend, streckt er die Arme gegen den Himmel, dort Halt suchend. Jede Sehne und jeder Muskel des Körpers ist angespannt, das Gesicht im höchsten Ausdruck körperlichen Schmerzes erstarrt (Krug). Neben Signatur und Datierung brachte Hanak auf der Standfläche folgenden Wortlaut an: "Du brennest und verbrennest!"

Das wurde 1951 hingenommen. Da tolerierte man auch einen männlichen Akt, der seine Männlichkeit weder verbarg noch verdrängte, auch nicht hervorhob. Aber es war ein nackter Mann! Und das an der Hauptgeschäftsstraße! Vor einem Haus, das auch der Jugend zum Studium, zur Weiterbildung gewidmet war. Ein nackter Mann als Denkmal!

"Er muss weg!"

Es war nicht möglich, dagegen anzukämpfen. Hanak hatte in seinem letzten Lebensjahrzehnt Werke geschaffen, die zum Besten der plastischen Kunst gehören, das dieses Land hervorgebracht hat. Hanak kam gleiche Bedeutung zu wie Kokoschka - und es war der schon genannte Hanns Kreczi, der den Blick auf Linz vom linksseitigen Donauufer (damals sowjetische Zone) malen ließ, von dem ebensolche Wirkung ausging wie von dem Denkmal an der Landstraße. Aber nicht alle waren empfänglich für Werte, für Kunst, für künstlerische Freiheit. Und wenn man nicht offiziell dagegen vorgehen konnte, so war dies doch hinterrücks möglich. Politiker, städtisches Bauamt, diverse Kreise waren sich wohl einig: Er muss weg!

Ins Museum entsorgt

Als 1960 ein Ausweichlokal beim Umbau eines Textilgeschäftes eingerichtet werden musste - man wollte doch keinen finanziellen Schaden bei einem Linzer Geschäftsmann verursachen - da blieb als einzige Möglichkeit (!) die Errichtung einer Baracke auf dem kleinen Vorplatz der Studienbibliothek. Na, und dafür musste eben - vorübergehend, vorübergehend - die doch so bedeutende Figur weggebracht werden. Die Trivialität hatte einen (krummen) Weg gefunden. Es war zwar kein hölzerner Verschlag für den nackten Mann, nein, in die Aula des Brückenkopfgebäudes West kam der brennende Mensch, die Figur stand neben dem Aufgang zu der (auch nicht von allen geliebten) Kunstschule und zur "Neuen Galerie", die ja solchen neuen Schnickschnack präsentierte...

Bis 1979 blieb Hanak im Brückenkopfgebäude, dann kam er in das in einem Wohnhaus installierte Quartier der "Neuen Galerie" nach Urfahr, stand neben dem Eingang zwergenhaft beim Treppenfuß. Linz hatte den nackten Mann (so etwas gehört sich doch nicht!) vertrieben. Aber selbstverständlich, wir verehren die österreichische Kunst, und Anton Hanak war doch einer der größten...

Man soll über Salzburg nicht nur lachen!

Der Autor ist Direktor i. R. des Stadtmuseums Linz.

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