Sauschwanz in der Kathedrale

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Die Konzerte im Stephansdom waren durch Jahrzehnte ein Teil der Wiener Musikkultur. Jetzt regiert peinlicher Dilettantismus in der Bischofskirche.

Die Dom-und Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien hat zwar nach einem in Musikerkreisen reichlich bekannten Intrigenspiel seinen international anerkannten Domorganisten und in der Folge auch den bewährten Domkapellmeister verloren, seither auch die in 45 Jahren beliebten und hochwertigen wöchentlichen Orgelkonzerte aufgegeben, aber erst nach einer überlangen Schrecksekunde begonnen, die offenen Stellen neu zu besetzen. Was sich in der Zwischenzeit - außerhalb der provisorisch versorgten Kirchenmusik - im Dom abspielt, ist eine skurrile Mischung aus Dilettantismus und Kommerz.

Eine "Lange Nacht der Musik" im September lockte unter dem von Mozart als ironische Selbstbezeichnung benützten Titel Edler von Sauschwanz zu einer Lesung aus Mozarts Briefen, unter der Überschrift MoZärtliche Kammermusik zu Streichquartetten und nach Mitternacht unter der Etikette Zauberflöten und Türkische Märsche zu Mozart in Blech - Virtuose Arrangements für Bläserensemble. Die andere Hälfte des Programms - Gregorianik, Chor-und Orgelmusik - respektiert immerhin die Würde des Ortes als Österreichs bedeutendstem und bekanntestem Dom und als Bischofskirche des Wiener Erzbischofs und Kardinals. Ob er weiß und gutheißt, was in seiner Kathedrale "aufgeführt" wird, möchte man bezweifeln.

Der Dompfarrer wird es wohl wissen. Seine Vorliebe für schräge Veranstaltungen (Hochzeit Verona Poth, geb. Feldbusch) und schillernde Existenzen (Richard Lugner) ist bekannt. In der Tageszeitung Die Presse war bereits unter der Überschrift "Wie tickt Anton Faber?" Bemerkenswertes zu lesen: Segeln mit Paragleiter, Bungee-Jumping vom Donauturm, nächtliche Lokalbesuche und Auftritte als gern gesehener Adabei im Society-Bereich. Ob er die öffentliche Bezeichnung als "Hirte seiner Eitelkeit" geklagt hat, ist unbekannt.

In der Zeit ohne professionelle Dommusiker bespielt nun der umtriebige Thomas Dolezal unter dem neckischen und selbsterfundenen Titel "Dommusikus" den musikalisch verwaisten Dom mit Kommerz und Trivialmusik: An der Orgel versuchte er sich in einem Orgel-Nachtkonzert Ende September mit Variationen über Haydns Kaiserhymne und über Happy Birthday, mit dem notorischen Ave Maria von Bach/Gounod und Bachs epidemischer Toccata und Fuge in d-moll. In der "Langen Nacht" zwei Wochen zuvor wechselte er zwischen Mikrophon und Instrument - als Entertainer und Organist - auf dem Werbezettel wegen der Häufigkeit seiner Auftritte offensichtlich bereits mit "TD" abgekürzt.

Ansonsten bedient die Domkirche den Tourismus reichlich mit regelmäßigen Konzerten für Streicher - mit und ohne Trompete - wie auf Plakaten zu lesen ist. Und wenn's passt, gibt der Organist auch mal die Annen-Polka. Die Beliebigkeit, mit der nun schon seit Jahren in vielen Kirchen weltliche und häufig auch triviale Musik zugelassen und manchmal sogar gefördert wird, findet in St. Stephan Vorbild und Rechtfertigung. Die Musikpflege im Österreichs wichtigster Kirche sollte - auch wenn der Massentourismus tagsüber den Raum dominiert - mit Respekt und Professionalität betrieben werden. Wie es Bach gesagt hätte: zu "Gottes Ehre und Rekreation des Gemütes" - sonst wäre die Musik ein "teuflisch Geplärr und Geleier".

Der Autor ist Akademiker-und Künstlerseelsorger in Linz und lehrt an der Anton Bruckner Universität.

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