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Leere Versprechungen

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„Alle diese Sachen“ dauern nur bis Kriegsende, teilte Eichmann mit. „Nach dem Krieg werden die Juden frei sein und machen können, was sie wollen.“ All das, was in der Judenfrage geschieht, gelte eigentlich nur für die Dauer des Krieges, mit Kriegsende würden die Deutschen wieder gutmütig sein und alles zulassen wie ehedem. Er sei im allgemeinen kein Freund der Gewalt und wünsche, daß alles ohne Gewalt vor sich gehe. Personal werde bei ihm großgeschrieben, das heißt, er brauche jeden Menschen, also könne er nicht so viele Wächter aufstellen. Nach der bisherigen Erfahrung komme es nur dort zu Gewalttätigkeiten und Hinrichtungen, wo das Judentum Widerstand geleistet habe ... Wenn das Judentum verstehe, daß er von ihm nichts anderes erwarte als Ordnung und Disziplin und daß jeder in dem ihm zugewiesenen Bereich arbeite — sei es im Sattlergewerbe, sei es bei Waldrodungen oder bei Heimarbeiten, wie etwa Handschuhanfertigung —, dann brauche es sich nicht vor Kränkungen zu fürchten, sondern er werde es vor jeder Kränkung schützen. Er lege großen Wert darauf, daß dieser sein Gedanke breitesten Kreisen des Judentums zur Kenntnis gebracht werde.

Einer der Anwesenden, Dr. Jänos Gabor, stand auf und sagte, die Einführung des Judensternes bringe ihn zur Verzweiflung. Sein Vater habe als Major-Auditor am ersten Weltkrieg teilgenommen, sein Großvater war Honvėd im Freiheitskampf von 1848. Das Tragen von Judensternen wird zu Ausschreitungen Anlaß geben. Eichmann erklärte hierauf, er werde nicht dul den, daß die Juden wegen des Tragens der gelben Sterne behelligt würden.

Der vorletzte Akt

Während die ungarische Schattenregierung des früheren Gesandten in Berlin, Sztöjay, durch ebenso komplizierte wie bornierte Verordnungen über die fortschreitende Entrechtung der Juden den Schein einer geregelten Administration aufrechtzuerhalten versuchte, schritten Eichmann und seine ungarischen Helfershelfer — die „Staatssekretäre“ im Innenministerium, Baky und Endre, hohe Polizei- und Gendarmerieoffiziere — an die End-

Die Endlösung

Im Juni 1944 war es dann soweit Eichmann hat während einer Inspektionsreise in Nordostungarn mit den ungarischen Stellen eine Vereinbarung über die Deportierung der Juden getroffen. Die jüdische Bevölkerung Ungarns wurde in sogenannten Gettos, meistens in Ziegeleien, konzentriert und unter den unmenschlichsten Verhältnissen einwaggoniert und ab- :ransportiert. Die Deportierungen haben, nach Gendarmeriebezirken eingeteilt, am 15. Mai begonnen. Bis zum 7. Juni wurden bereits 335.000 Men- ichen aus dem Lande deportiert, hiervon ungefähr 90 Prozent nach Birkenau und Auschwitz, wo sie größtenteils vergast wurden. Der Deportierung ging die barbarische Quälerei seitens der ungarischen Gendarmerie in den Gettos voraus, um aus den unglücklichen Menschen herauszubekommen, vo sie ihr angebliches Vermögen versteckt hatten. So gab es schon in den Gettos sehr viele Opfer, äund viele wurden schon halbtot einwaggoniert.

In Budapest und Umgebung' gab es ätwa 35 8.000 Juden. In der zweiten Junihälfte wurden auch die Budapester luden in Gettos eingeliefert. Die Deportierungen gingen in der unmittelbaren Nähe von Budapest weiter. Reichsverweser Horthy trat um diese Zeit endlich aus seiner Passivität heraus. Die großen alliierten Siege, ferner die energischen Protestaktionen seitens der Kirchen und des neutralen Auslandes haben ihn zum Einschreiten bewogen. Im letzten Augenblick, vor dem als Stichtag angesetzten 10. Juli, hat er die Deportierung der Juden von Budapest verboten. Eichmann hat davon am 8. Juli erfahren. Er war „bestürzt“, konnte aber nichts machen. Seine ungarischen „Mitarbeiter“ wurden damals „beurlaubt“, die Gendarmerie abgezogen. Eichmann wurde machtlos, versuchte aber noch monatelang immer wieder, die Deportationen in Gang zu bringen. Das Kräftemessen zwischen dem Horthy-treuen ungarischen Militär und den SS-Stellen entbehrte nicht der dramatischen Höhepunkte und der grotesken Zwischenfälle. Am 23. Dezember, unmittelbar vor der Umzingelung von Budapest durch die Rote Armee, verließ Eichmann Budapest auf dem Luftweg.

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