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Rabin, der wahre Sieger

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In Israels Militär kursiert folgender Ausspruch: (Sicherheitsminister) Mosche Dayan kam (in die Regierung), drückte auf den Knopf — und siegte. Doch der wahre Sieger war Jizchak Rabin. War es doch er, der in genau detaillierter Stabsarbeit diesen Feldzug „für jede Eventualität“ vorbereitete und ihn während des „Sechstagekriegs“ führte.

General Rabin (45) ist breitschultrig, untersetzt, hat stahlblaue Augen und ist immer besonnen. Er zeichnet sich durch seine Kaltblütigkeit,schnelle Auffassungsgabe und Selbstbeherrschung in jeder Situation aus. Er ist zurückhaltend, bescheiden, ist auf Cocktailpartys nicht anzutreffen und verbringt seine Freizeit am liebsten im Kreise der Familie. Sein Hobby sind „Action fdlms“ und die Literatur der Kriegswassenschaften. Er hat ein phänomenales Gedächtnis, und man erzählt sich, daß er vor einiger Zeit einen Artilleriegeneral auf einer Stabssitzung fragte: „Für wie viele Kriegstage reicht unsere Munition?“ Der General galb eine genaue Aufstellung, doch Generalmajor (Raw-Aluf) Jizchak Rabin unterbrach ihn und sagte: „Sie haben sich um einige 100 Schuß Munition geirrt.“ Alles wurde nochmals durchgerechnet und Raibin hatte Recht

Generalmajor Rabin ist Israels siebenter Stabschef. Als seine Amtsperiode vor einem Jahr abgelaufen war, wurde der Beschluß von Ministerpräsident Levy Eschkol, ihn ein weiteres Jahr im Amt zu belassen, vom Militär mit großer Genugtuung aufgenommen, denn — so sagt man in hohen Offizierskreisen — „Auf Jizchak ist immer Verlaß“.

General Rabin ist ein ganz anderer Typ als der dreiste Draufgänger Mosche Dayan, Israels jetziger SiAerheitsminister und der Held (damaliger Stabschef) des Sinaifeldzuges im Jahre 1956. Dajan marschierte an der Spitze seiner Truppe in Gaza ein und exponierte sich unnötig in seiner Eigenschaft als. Stabschef. Rabin dagegen saß während der sechs Kriegstage im Be-fehlsburiker, kommandierte drei Fronten zu gleicher Zeit und war bis auf die kleinsten Einzelheiten von jeder Front unterrichtet. Er hatte sein Feldbett im Befehlsbunker, gönnte sich in dieser Zeit aber nur ein bis zwei Stunden Schlaf pro Tag.

Jizchak Rabin wurde als Sohn des Arbeiters Nediemia in Jerusalem geboren. Sein Vater war Sozialist, beschäftigte sich damals mit Gelegenheitsarbeiten und beteiligte sich im ersten Weltkrieg als Soldat in der jüdischen Legion an der Seite der Engländer an der Eroberung Palästinas von den Türken. Seine Mutter Rosa Cohen betätigte sich als sozialistische Funktionärin in der Arbeiterbewegung. Zur Zeit der ersten Unruhen im damaligen Mandatsgebiet Palästina (1921) verteilte die mutige Rosa — so wurde sie allgemein genannt — Waffen zur Selbstverteidigung an die Arbeiter in Jerusalem und fungierte dort als Krankenschwester für Erste Hilfe.

Ein Jahr nach Jizchak Rabins Geburt übersiedelte die Familie nach Tel Aviv. Jizchak besuchte dort die erste sozialistische Schule des Landes.

Die Mittelschule absolvierte Jizchak Rabin Im sozialistischen Kibbuz (Kollektivsiedlung) Givat Haschloscha. Danach war es für ihn selbstverständlich, sein Studium auf der landwirtschaftlichen KaduriSchule im Oberen Galilea fortzusetzen. Jizchak Rabin wurde noch in der Kaduri-Schule von dem jungen Jigal Alon entdeckt, dem späteren Kommandanten des Palmachs und heutigen Arbeitsminister Israels.

Palmach war eine Elitestoßtruppe,, die im Jahre 1941 von der Hagamah, der militärischen Untergrundbewegung der Juden Palästinas, gegründet worden war und mit englischer Hilfe ausgebildet wurde, um eine Rückendeckung in Palästina zu bilden im Falle, daß die englischen Truppen gezwungen sein sollten, den Mittleren Osten zu verlassen, um dem Afrikakorps des Generals Rommel zu weichen.

Während des Befreiungskrieges Israels im Jahre 1948 befehligte Jizchak Rabin ein Bataillon des Palmach. Sein Oberbefehlshaber war der heutige Aibeitsminister Israels, Jigal Alon. Zusammen mit dem drangen seine Truppen nach Abu Agaila ein, das sich auf der Sinaihalbinsel befindet, und drohten, den Rückaug der ägyptischen Armee abzuschneiden. Auf Amerikas Ultimatum hin gab der damalige Ministerpräsident David Ben Gurion zur Enttäuschung Rabins und Alons — und auch aller anderen — den Rückzugsbefehl, so daß die ägyptische Armee sich ungehindert zurückziehen konnte. Nur ein Bataillon der ägyptischen Armee in der Tasche von Faliuja konnte sich tapfer halten. Einer der Offiziere dieses Bataillons war Hauptmann Gamal Abd el Nasser. An den Verhandlungen zur Ermöglichung des freien Rückzuges der Ägypter nahmen Hauptmann Nasser und Major Raibin teil. Das war das einzige Mal, daß sich die beiden Militärs trafen.

Im Gegensatz zu Mosche Dayan hat Jizchak Rabin keine politischen Ambitionen. Man wunderte sich allgemein, als er im Jahre 1963 zum Generalstabschef ernannt wurde. Er galt zwar als der beste Taktiker der israelischen Armee, ist Absolvent des englischen Staff-College in Camber-ley und eines amerikanischen Generalstabskurses für Anwendung von Raketen und anderen modernen Waffen, doch hatte er keine „passende“ politische Vergangenheit.

Ratoin hört auch gern auf Ratschläge. Doch wenn er einmal seinen Beschluß gefaßt hat, drängt er mit aller Energie auf Einhaltung des Befehls. Als Israels Ministerpräsident Levy Eschkol lange zögerte, bis es dann fast gegen den Willen der israelischen Regierung zu dem bewaffneten Zusammenstoß mit den arabischen Staaten kam, fragten die Offiziere im allgemeinen, warum Rabin nicht einen Beschluß der Regierung durch seinen Rücktritt erzwingen konnte. Rabin, der auch für ein schnelles Eingreifen war, um die geplante Offensive der Araber zu parieren, erklärte seinen Freunden im Offizierskorps: „In einem demokratischen Land erhält das Militär Befehle von der Regierung und gibt der Regierung keine Direktiven.“ Als Sicherheitsminister Mosche Dayan gefragt wurde, was der Unterschied sei zwischen dem Sinaifeldzug 1956 und dem Sechstagekrieg des Jahres 1967, antwortete der Stabschef von 1956: „Heute haben wir einen besseren Stabschef.“

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