Zwei Kometen in Tschechien

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Gründlicher ist in Europa selten bei einer Wahl aufgeräumt worden, als das in Tschechien der Fall war, findet die „Süddeutsche Zeitung“.

Man kann den Ausgang der Parlamentswahl in Tschechien eine reife demokratische Leistung nennen. Über alle Parteigrenzen hinweg haben die Wähler eine klare Botschaft ausgesandt. Sie wollen endlich wirkliche Reformen. Sie wollen, dass endlich Schluss ist mit der Korruption. Und sie haben genug von den Streithähnen und Skandalfiguren, die bisher die Szene beherrschten.Das Wahlergebnis kommt einem politischen Donnerschlag gleich, die Folgen sind umwerfend. Vier Parteiführer traten zurück, die künftige Richtung geben zwei neue Parteien an. Auch wenn in den post-kommunistischen Ländern der Auf- und Abstieg politischer Gruppierungen sich regelmäßig wiederholt: Gründlicher ist in Europa selten bei einer Wahl aufgeräumt worden. Tschechien hat klare Verhältnisse. Einer geschwächten linken Opposition aus Sozialdemokraten und Kommunisten steht ein bürgerlich-konservatives Lager gegenüber. Es hat eine komfortable Mehrheit. Zu den Abgestraften zählt der Sozialdemokrat Jiri Paroubek. Er hat durchaus Verdienste als Partei- und Regierungschef, aber vor allem junge Menschen hat er mit seinem aggressiven Funktionärsgehabe ebenso vergrault wie mit seinen unmäßigen Versprechungen für soziale Wohltaten in einer Zeit, da die Finanzwelt in Scherben fällt. Man hat ihm nicht geglaubt. Das war sein Ende.

Schmutzige Affären

Als weiteres Übel haben die Wähler die schmutzigen Affären definiert, die im ewigen Reigen die Nachrichten füllen. Deshalb fiel die kleine, aber traditionsreiche Christdemokratische Partei durch in den Orkus, und zwar zu Recht. Ihr früherer Vorsitzender Jiri Cunek hat in unanständigster Weise gegen Roma gehetzt und in seinem Korruptionsverfahren die Justiz in die Ecke drücken lassen. Auch ein führender Bürgerdemokrat, der einstige Innenminister Ivan Langer, wurde in die Wüste geschickt. Ihm hängt an, dass er Verbindungen zum organisierten Verbrechen habe. Obwohl er Listenführer im Kreis Olmütz war, kegelten ihn die Wähler durch Kumulieren hinaus - das zeigt, wie präzise sie gewichtet haben. Überhaupt hat die Demokratische Bürgerpartei eine katastrophale Niederlage erlitten, ihr politisches Gewicht hat sich halbiert. Der neue Anführer Petr Necas hat recht, wenn er auf innerer Erneuerung der Partei beharrt.

Verlangen nach Seriosität

Der Wähler verlangt jetzt Seriosität und Solidität, im Politischen wie im Finanziellen. Und es ist vor allem die junge Generation, die sich mit diesem Postulat nachdrücklich einmischt. Deshalb sind wie Kometen zwei neue bürgerliche Parteien am Firmament aufgetaucht, auf denen viele Hoffnungen ruhen.

Der populäre frühere TV-Moderator Radek John wurde gewählt, weil er sich einen Namen als Kämpfer gegen Korruption gemacht hat und es besser machen will als die politischen Dinosaurier. Das ist nun Verpflichtung und Programm. Noch stärker demonstriert der Triumph des Fürsten Schwarzenberg und seiner konservativ-liberalen Partei TOP 09, was Volkes Wille ist. Schwarzenberg hat Opfer und Einschnitte verkündet und bürgt in persona auf seine altmodische Art für einen neuen Stil. Das hat gezogen, zumal bei der Jugend. Gerade weil er ein reicher Mann ist, meinen viele Tschechen grinsend, brauche er sich die Taschen nicht beim Staat zu füllen.

Vor Schwarzenberg, John und Necas liegt die Aufgabe, aus Worten Taten zu machen. Gewiss gibt es Risiken. Radek John ist nicht präzise berechenbar. Aber diese Wahl hat gezeigt: Wer versagt, den bestraft der Wähler – sofern er eineAlternative hat.

* Aus Süddeutsche Zeitung 31. Mai 2010

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