Schwedens rechte Reize
Die extrem rechten „Schwedendemokraten“ sind zwar nicht in der neuen Regierung in Stockholm vertreten, haben aber das Programm von Moderaten, Liberalen und Christdemokraten deutlich geprägt. Vor allem junge Männer fühlen sich von ihnen angesprochen. Warum?
Die extrem rechten „Schwedendemokraten“ sind zwar nicht in der neuen Regierung in Stockholm vertreten, haben aber das Programm von Moderaten, Liberalen und Christdemokraten deutlich geprägt. Vor allem junge Männer fühlen sich von ihnen angesprochen. Warum?
Seit Montag dieser Woche steht es fest: Ulf Kristersson von den bürgerlichen Moderaten ist der neue schwedische Regierungschef. Nach acht Jahren regierender Sozialdemokraten in Schweden kommt somit ein Machtwechsel – und damit ein kräftiger Rechtsruck.
Bereits das Wahlergebnis hatte Europa geschockt. Die rechts-außen angesiedelte Partei der Schwedendemokraten (SD) mit ihrem Vorsitzenden Jimmie Åkesson wurde am 11. September zweitstärkste Kraft, zehn Prozent hinter der bisher regierenden Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (S) und knapp vor den Moderaten. In die Regierung kommt die von Neonazis gegründete Partei SD nun doch nicht – ein Großteil ihrer politischen Vorstellungen zur Migrationspolitik haben es aber in die Kooperationsvereinbarungen des neuen regierenden Blocks aus Moderaten, Liberalen und Christdemokraten geschafft.
„Mangelhafter Lebenswandel“
„Mangelhafter Lebenswandel“ Konkret heißt das unter anderem Folgendes: Es soll in Zukunft nur noch das EU-Minimalniveau des Asylrechts gelten. Zudem sollen höhere Ansprüche an eine schwedische Staatsbürgerschaft gelten als bisher, an die eigene, finanzielle Versorgung, aber auch an den „Lebenswandel“. Ausweisungen auf Grund eines „mangelhaften Lebenswandels“ sollen in Zukunft möglich sein. Das kann zum Beispiel die Verwicklung in Drogenmissbrauch oder Prostitution sein, aber auch ein Verhalten, „das die schwedischen Grundwerte bedroht“.
Die Vorsitzende der schwedischen Linkspartei, Nooshi Dadgostar, verspricht ob dieser Pläne auf Twitter „eine steinharte Opposition gegenüber denen, die Schweden zerstören wollen“; und Annika Hirvonen von den Grünen möchte sich aus Protest schwarz kleiden. Sie erinnert daran, dass Ulf Kristersson einst einer Holocaust-Überlebenden versprochen hatte, nie mit den Schwedendemokraten zusammenzuarbeiten. Der Bruch dieses Versprechens sei nun besiegelt.
„Schweden ist im Moment so gespalten wie nie“, betont der Politikwissenschafter Per Oleskog Tryggvason im Gespräch mit der FURCHE. Er ist an der Universität Göteborg für Meinungsuntersuchungen zuständig und hat die Wahlergebnisse hinsichtlich demografischer Merkmale analysiert. Die Spaltung sieht er nicht nur zwischen links und rechts, sondern auch wesentlich zwischen Stadt und Land, Jungen und Älteren, Männern und Frauen, Süd und Nord. Ungewöhnlich ist für ihn vor allem, dass junge Menschen – insbesondere Erstwählende – nicht wie bisher traditionell links, also rot-grün, sondern auch rechts bis rechts-außen gewählt hätten, betont er. Unter den Wähler(inne)n zwischen 18 und 21 Jahren sind die SD-Stimmen von zuletzt 12 auf 22 Prozent gestiegen, bei den 22- bis 30-Jährigen von 13 auf 27 Prozent. Nach einer Studie der Universität Göteborg waren es vor allem junge Männer, welche die konservativen Moderaten und die Schwedendemokraten gewählt haben.
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