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Drehleier und Dudelsack

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In einer Ecke des Foyers steht ein Mann und bläst mit geschlossenen Augen ein dudelsackähnliches Instrument. Kräftige, etwas schnarrende Töne erfüllen den Raum, erinnern an das schottische Hochland und an spätmittelalterliche Festzüge. Bodo Schulz ist Sackpfeifenmacher in Berlin. Das eigenartige quäkende Ding ist eine von mehreren historischen Sackpfeifen, die er in den letzten Jahren gebaut hat. Da gibt es das „Hümmelchen“, einen kleinen, eher leisen Dudelsack, der aus Ahorn gebaut und die „Grande Cor-nemuse Bourbonnai-se“, die über eineinhalb Oktaven reicht. Schon das vierte Mal stellt er als einer von dutzenden historischen Instrumentenbauern zum Auftakt der „Resonanzen“, des Festivals für Alte Musik, im Foyer des Wiener Konzerthauses seine Instrumente aus. „Man kann schon davon leben“, gibt er über seinen Beruf Auskunft.

Ein paar Schritte weiter prangt ein weißes Schild mit „Sonderangebot 58.500 ATS“ auf einem flaschengrünen Cembalo. Fred Bettenhausen ist seit 1981 Cembalobauer in Haarlem. „Pro Jahr baue ich etwa 10 bis 20 Instrumente“, erzählt er. Darunter sind nicht nur Cembali, sondern auch Spinette oder Clavichorde. Er hat sich auf den Nachbau von ganz bestimmten historischen Modellen spezialisiert. Etwa 300 seiner Instrumente werden in aller Welt gespielt. Im seinem Atelier arbeitet er nur mit wenigen Gehilfen. Das meiste macht er selber, von der Wahl des Holzes bis zur Bemalung. Sein Geheimnis? Arbeitsteilung und Effizienz. „Alles, was mit der Maschine gemacht werden kann, wird damit gemacht“. Jene, die noch alles mit der Hand machen, belächelt er.

Im Gegensatz dazu legt der englische Instrumentenbauer Tim Cran-more Wert darauf, daß jedes Stück seiner historischen Blockflöten handgearbeitet ist. Über das Anfertigen seiner Instrumente verfällt er in eben-so hartnäckiges Schweigen wie seine Kollegen. Nur ein Ku-riosum verrät er: Holz, das zum Trocknen etwa fünf bis sechs Jahre brau chen würde, trocknet er im Mikro wellenherd in 20 Minuten.

Was führte ihn zum Instrumentenbau? Sein Blockflötenlehrer in London empfahl ihm, es doch einmal mit dem Bau dieser Instrumente zu versuchen. Mit Erfolg: „Ich bin einer von drei, vier historischen Blockflötenbauern in England“, erzählt er. „In Deutschland oder Frankreich gibt es natürlich viel mehr“. Offenbar ist er da in eine jener Berufsnischen gestoßen, die gefragt sind. Über Auftragsmangel kann er nicht klagen. Er verkauft über 60 Instrumente pro Jahr. Seine Flöten werden auch in Japan oder Australien gespielt. Und in Österreich. Iris, Musikstudentin aus Wien, hat eben eine Altblockflöte bei Tim Cranmore erstanden. „Er ist einfach der Beste!“, meint sie über die Qualität seiner Flöten. Die Anzah lung von 3000 Schilling drückt sie ihm in die Hand, die restlichen 14.000 Schilling wird sie ihm überweisen. Ein abschließendes hand-shaking, man wünscht sich alles Gute.

Wird viel gekauft auf solchen Ausstellungen? „Wirknüpfen hauptsächlich Konktake zu Kunden, tauschen Adressen aus“, sagt Bert Dekker, ein niederländischer Gambenbauer. Viele probieren die Instrumente aus, so mancher entschließt sich auch gleich zum Kauf. Für alle Fälle liegen bei fast jedem Stand Preislisten auf.

Was fasziniert Bert Dekker gerade am Bau historischer Instrumente? „Die große Freiheit beim Anfertigen“, sagt er. Gibt es doch bei historischen Instrumenten keine Einheitsgrößen wie etwa bei modernen Geigen oder Celli. Die Familie der Viola da gamba kennt ein Spektrum, das von der kleinen Diskantgambe, die etwa so groß wie eine Violine ist, bis zur cellogrößen Baßgambe und zur kontrabaßähnlichen Violone reicht. Was ist das Geheimnis des Instrumentenbaus? Das Holz, die Lackierung? „Man sollte aus jedem Stück Holz ein gutes Instrument machen können“, widerspricht Dekker. „Das Wichtigste ist die Fähigkeit des Instrumentenbauers“, das Holz komme erst an zweiter Stelle, danach die Beschaffenheit des Lackes. Er baut etwa sechs bis acht Gamben pro Jahr.

Nicht nur ehrwürdige nachgebaute historische Instrumente werden ausgestellt. Man trifft auch auf allerlei Kuriosa wie beispielsweise viereckige Baßblockflöten aus Sperrholz. Ein Orgelbauer bietet Ohrringe aus den Hölzern des Instrumentenbaus feil. Darfes Palisander, Ebenholz oder Mahagoni sein? Es ist nur eine Frage des Geschmackes. Neben kompletten Bausätzen für Krummhörner, Cembalini oder Gamben, die man preiswert erstehen kann, finden sich auch Bücher zu einzelnen Instrumenten und Lehrwerke. Ob es nur eine kleine Fidelschule sein soll oder ein Heft „Über den Umgang mit dem Dudelsack“ - taut est possible.

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