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Ein Schwarzer im weißen Amerika
„Wir werden Menschen sein. Wir werden es sein oder die Welt wird dem Erdboden gleichgemacht bei unserem Versuch, es zu werden.“ Diese Sätze stehen in den autobiographischen Konfessionen des amerikanischen Negerführers Eldridge Cleaver „Seele auf Eis“. Dem über die amerikanischen Rassenprobleme oft allzu einseitig orientierten deutschsprachigen Leser des Buches sei zunächst geraten, sich nicht irritieren zu lassen durch die wilde Anklage, den emphatischen Haß des Autors gegen die weiße Herrenrasse, der sich gerade zu Beginn der Aufzeichnungen unverhüllt dokumentiert. Hinter solchen schockierenden Emotionen verbirgt sich nicht nur Cleavers persönliches Leiden an der Welt der Weißen, sondern der Aufruhr gegen die jahrhundertelange Unterdrückung seines Volkes, der endlich ein Ende zu setzen er mit vielen Gesinnungsgenossen entschlossen ist.
„Wir werden Menschen sein. Wir werden es sein oder die Welt wird dem Erdboden gleichgemacht bei unserem Versuch, es zu werden.“ Diese Sätze stehen in den autobiographischen Konfessionen des amerikanischen Negerführers Eldridge Cleaver „Seele auf Eis“. Dem über die amerikanischen Rassenprobleme oft allzu einseitig orientierten deutschsprachigen Leser des Buches sei zunächst geraten, sich nicht irritieren zu lassen durch die wilde Anklage, den emphatischen Haß des Autors gegen die weiße Herrenrasse, der sich gerade zu Beginn der Aufzeichnungen unverhüllt dokumentiert. Hinter solchen schockierenden Emotionen verbirgt sich nicht nur Cleavers persönliches Leiden an der Welt der Weißen, sondern der Aufruhr gegen die jahrhundertelange Unterdrückung seines Volkes, der endlich ein Ende zu setzen er mit vielen Gesinnungsgenossen entschlossen ist.
Cleaver hat seine Bekenntnisse in kalifornischen Gefängnissen geschrieben, in denen er insgesamt elf Jahre zugebracht hat; mit achtzehn Jahren wurde er zum erstenmal inhaftiert. Ein armes Kind des schwarzen Gettos, verstrickte er sich noch als Jugendlicher in strafbare Handlungen, für die zunächst die herrschende Gesellschaftsordnung sicher verantwortlicher war als er selbst. Erst in der Bewährungszeit zwischen zwei Gefängnisaufenthalten vergeht er sich bewußt und gewollt gegen diese Ordnung.
„Ich wurde zum Sittlichkeitsverbrecher Es begeisterte mich, das Gesetz des weißen Mannes und sein Wertsystem herauszufordern, es mit Füßen zu treten und seine Frauen zu schänden..
Neuerlich im Gefängnis beginnt Cleaver nachzudenken und kommt schnell zur Besinnung, zu einem neuen Ausgangspunkt.
„Zum erstenmal in meinem Leben sah ich ein, daß ich im Unrecht war, daß ich mehr als vom Gesetz des weißen Mannes, vom Leben eines zivilisierten Menschen abgewichen war “
In jener Zeit beginnt er zu schrei
ben, um, wie er sagt, „sich zu retten“.
„Ich mußte versuchen, die Wahrheit zu finden und das verworrene Netz, meiner Beweggründe zu entwirren. Ich mußte herausfinden, wer ich war und wer ich sein wollte, welche Art Mensch ich zu sein hätte, und was ich tun könnte, um das Beste aus meinen Fähigkeiten zu machen. Ich verstand, daß das, was mir zugestoßen war, auch zahllosen anderen Schwarzen zugestoßen war und vielen, vielen anderen zustoßen würde “
Die Wahrheit glaubt Cleaver zunächst bei Elijah Muhammad, dem Propheten der Black-Power-Bewegung zu finden, der einen schwarzen Rassismus predigt, die Lehre vom schwarzen Herrenmenschen, also die Umkehrung des herrschenden Systems. Darin sieht Cleaver sehr bald keine echte Lösung; er verbündet sich mit Malcolm X, der, zunächst ebenfalls ein Schüler des Elijah Muhammad, sich später für das gleichberechtigte Nebeneinander der Weißen und Schwarzen einsetzt, für Brüderlichkeit zwischen den Rassen plädiert. Nach der Ermordung von Malcolm X übernimmt Cleaver sein
Erbe, freilich davon überzeugt, daß die Versöhnung der Rassen nur durch Gewalt aü erreichen sein wird. Nachdem es Cleavers Rechtsanwältin Beverley Axelrod, einer prominenten Kämpferin für die Gleichberechtigung der Neger, gelungen war, ihren Klienten aus dem Gefängnis herauszubekommen, wird er zunächst Redakteur von Pamparts Magazine, um sich bald darauf der radikalen Black-Panther-Bewegung anzuschließen, der radikalen und militanten Kampfgruppe für die Emanzipation der amerikanischen Neger.
Neue Verfolgungen, wiederum Gefängnishaft, Freilassung gegen eine Kaution von 50.000 Dollar, die er verfallen läßt, als ihm neue Verhaftung droht — das sind die weiteren Stadien auf Cleavers Weg. Heute lebt er im Untergrund, von der revolutionären Linken der USA als einer ihrer Helden verehrt, „eine Art schwarzer Che Guevara“.
Neben den persönlichen Bekenntnissen Cleavers, in denen sich typische Erfahrungen der amerikanischen Neger spiegeln, enthält das Buch hochinteressante politische Aufsätze, in denen die: Hintergründe der „heißen Sommer“, der Sinn der „sinnlosen Zerstörungen“ zu denen sie führten, transparent wird. Eine umfassende Kritik der amerikanischen Gesellschaft auch, ihrer Vorurteile und brutalen Machtpraktiken in innen- und außenpolitischer Hinsicht.
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