Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Neuer Stern am Dichterhimmel
Fürst der Finsternis. Eine Erzählung. Von James Earl Powers. Mit einem Nachwort von Elisabeth Schnack. Aus dem Amerikanischen übertragen, Walter-Verlag, Ölten und Freiburg i. Br. 91 Seiten
Fürst der Finsternis. Eine Erzählung. Von James Earl Powers. Mit einem Nachwort von Elisabeth Schnack. Aus dem Amerikanischen übertragen, Walter-Verlag, Ölten und Freiburg i. Br. 91 Seiten
Diese Titelerzählung des Bandes „Prince of Dark-ness“ macht uns mit einem hierzulande noch kaum genannten Amerikaner bekannt, mit einem nun vierzigjährigen Kurzgeschichtenschreiber von bemerkenswertem Talent. Man wird auf ihn aufmerksam zu machen haben, denn er dürfte zu jenen gehören, die in der Lage sein könnten, die katholische Literatur Nordamerikas von jenem erbaulich-braven Kalenderton zu befreien, der sie Europa gegenüber beträchtlich in Rückstand gebracht hat. Er ist aggressiv, zupackend, spitz, und satirisch und völlig unbekümmert um Opportunitäten, spießt die faden und tartüffischen Laien auf und hat es auch immer wieder mit Defizienzpriestern zu tun, die im gähnenden Einerlei der Pastorationsroutine abgesackt sind. Das ist für Nordamerika noch etwas Ungewohntes, und darum hat Powers drüben auch beträchtliches Aufsehen erregt. Für uns dürfte das weniger neu sein, denn wir sind vor allem durch den Schotten Bruce Marshall, dem mit Powers Vergleichbarsten, in dieser Hinsicht schon auf allerlei vorbereitet worden, und diese Art innerkatholischer Auseinandersetzung in der Literatur ist bei uns seit schon mindestens zwanzig Jahren in Gang gekommen. Das soll nun aber nicht heißen, Powers sei ein Epigone Marshalls, denn erstens haben beide ungefähr zur gleichen Zeit zu schreiben angefangen, und die Kurzgeschichtensammlung „Prince of Darkness“ ist bereits 1943 erschienen, also noch vor den großen Kleriker-romnnen Marshalls; und zweitens ist die Schreibweise von Powers viel direkter, schärfer, säuriger und ätzender. Er hat auch spezifisch amerikanische Verhältnisse vor sich, und überdies ist die katholische Defizienz nicht sein einziges Thema, denn er hat noch ein ganz anderes, das aber in der vorliegenden Erzählung nicht berührt wird und auf das wir bei anderer Gelegenheit zurückkommen können.
Hier, in dieser Geschichte, geht es um Father Burner, den ewigen Kaplan, der es noch zu keiner eigenen Pfarrei gebracht hat und dem nun allmäh-
lieh seine geistlichen Felle davonzuschwimmen scheinen. Das macht ihn gallig und ungemütlich, und während er noch einigermaßen Fassade zu halten bemüht ist, gerät er innerlich in einen Zustand von Renitenz und Wurstigkeit. Sein an sich gesunder Ehrgeiz sucht sehr weltliche Auswege, und mehr als seine Seele pflegt er das Golfspiel, die Privatfliegerei und Dunkelkammerexperimente, was ihm den Spitznamen „Fürst der Finsternis“ eingetragen hat. Mit-Teufelei hat das natürlich nichts zu tun, und man soll sich vom Titel her also nicht dazu verführen lassen, irgend etwas Luziferisches zu erwarten. So etwas scheint Powers völlig fern zu liegen. Es geht ihm in seinen Geschichten nicht um den Satan, sondern um den Zustand der geistlichen Verwilderung und der metaphysischen Langeweile.
Das vor allem ist es auch, was ihn in die nächste Nähe Marshalls gebracht hat. der aber weicher ist, humoriger und auch geschmeidiger. Powers ist etwas hart, nüchtern und grell, dafür etwas weniger der. Manier verfallen und jenen Stilexperimenten und Stereotypien, die Marshall manchmal leider bis zum Ueberdruß verwendet. Powers ist durchaus Eigengewächs und ein brillanter Kurzgeschichtenschreiber, aber ich kann mir nicht denken, daß er bei Klerikergeschichten bleiben wird. Sein Talent weist in eine andere Richtung, und ich vermute, daß die Klerikergeschichte nur gewissermaßen eine Startbahn für ihn ist und ejne noch notwendige Gelegenheit, um seine scharfen Säfte abziideiten, Er, hat jetzt-such, eiiien Roman in Arbeit, und auf diesen dürfen wir gespannt sein.
Vorderhand aber sei auf die Erzählung „Fürst der Finsternis“ aufmerksam gemacht, die in einer, wie mir scheint, durchaus adäquaten Uebersetzung von Elisabeth Schnack vorliegt und eine gute Vorstellung von jenen Erzählungen geben kann, die der Walter-Verlag im Lauf der nächsten Zeit noch herauszugeben beabsichtigt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!