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„Der eine heißt den andern dumm”

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Ein Grundsatzübereinkommen zwischen den Bundestheatern und dem ORF besteht schon lange. Dennoch überdecken derzeit Partikularinteressen die Kulturpartnerschaft.

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Ein Grundsatzübereinkommen zwischen den Bundestheatern und dem ORF besteht schon lange. Dennoch überdecken derzeit Partikularinteressen die Kulturpartnerschaft.

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Nicht um den „Wert des Glücks”, um den des Theaters im Fernsehen, ging es - unter anderem — beim jüngsten Theatertag in der traditionsreichen Theater-und Musikstadt Baden bei Wien, die auch schon im Fernsehen Gelegenheit bekam, sich zu präsentieren. Da servierte der Minister (für Unterricht und Kunst) ein Kulturallerlei, gekrönt von der Erkenntnis: „Erst im Medienzeitalter kann sich das Theater als demokratische Kunstform verwirklichen.” — Die Antike hat nicht stattgefunden. — Da kommentierten Journalisten, denen auch als Printmenschen Fernsehtheater viel zu b&leuten scheint, weshalb sie im Schielen auf Konsumentenzahlen ORF-Menschen beneiden, was, sie jedoch nicht hindert, ihnen die mediale Todsünde des „Reichweitenfetischismus” vorzuhalten. Und da replizierte schließlich der Generalintendant (des ORF), disqualifizierte „Starallüren und Gruppeninteressen” und konzentrierte seine Klage über Mangelerscheinungen, was Persönlichkeiten anbetrifft, auf die Welt des Theaters, ohne die der elektronischen Medien der Vollständigkeit halber mit-einzubeziehen.

Faktum ist, daß ein „Grundsatzübereinkommen” zwischen Bundestheatern und ORF besteht, das schon zur Zeit abgeschlossen wurde, da die Bundestheater noch von Fred Sinowatz ministriert wurden und der ORF unter den Oberhammer gekommen war. Es sollte den Bundestheatern Gelegenheit geben, ihre Leistungen, wie der große Moritz formulierte, „virtuell jedem Steuerzahler und nicht nur den relativ wenigen, die Gelegenheit zum Besuch der Vorstellungen haben”, zur Verfügung zu stellen, und im Gegenzug dem ORF helfen, seinen gesetzlichen Kulturauftrag zu erfüllen. Eine befriedigende und reibungslose Verwirklichung dieses Staatsvertrages der Kulturpolitik ließ ein Jahrzehnt auf sich warten. Die von Bacher apostrophierten „Starallüren und Gruppeninteressen” stellten sich den Interessen der Steuerzahler (und möglicherweise auch den Vorhaben einzelner Politiker) entgegen.

Der Minister zitierte in Baden die Antrittserklärung der Regierung Kreisky'scher Stiftung, in der für die Bundestheater eine „möglichst wirtschaftliche Gestion” gewünscht wird. Gleichzeitig ließ er mit der Forderung an die Adresse des ORF, dieser möge künftig bei Aufzeichnungen und Übertragungen auf seine Produktionsrechte verzichten, eine „grüne” Katze aus dem Sack: Im Sinne des aktuellen „Zurück zur Natur” empfiehlt er das Fernsehen den Bundestheatern als Melkkuh. Der Hinweis, daß auch die Bundestheater auf ihre „Hausrechte” verzichten sollten, stößt ins Leere, weü diese dieselben schon längst an Stars und Gruppen (wenn auch mächtig) verbröselt haben. Mit Recht empfiehlt der ORF-Gewaltige den Theatergewaltigen, sich zunächst als Mesner zu betätigen und mit dem Klingelbeutel die Hausrechte bei Stars und Gewerkschaft wieder einzusammeln.

Zur Demonstration der Schwierigkeiten bei der Erfüllung des Grundsatzübereinkommens erwähnte Bacher, daß ein Dirigent-nennen wir ihn beispielsweise

Carlos Kleiber - ohne weiteres die Möglichkeit hat, die Übertragung einer „seiner” Opern zu untersagen. In seiner bekannt zurückhaltenden Art verzichtete der oberste aller ORF-Menschen darauf hinzuweisen, daß auch sehr ehrenwerte und für den persönlichen Kulturbedarf wichtige Damen in Burg und Oper bei Übertragungen an der Melkkuh Fernsehen zuzeln, obschon der Fernseher, dank günstigerer Gelegenheit daheim, ihren Service erst gar nicht in Anspruch nimmt.

Trotz dieser österreichischen Umstände konnte der ORF in den Jahren 1980 bis 1984 insgesamt 129 Theateraufführungen übernehmen; 20 davon aus den Bundestheatern. Die Entwicklung der elektronischen Medien und der Defacto-Fall des Rundfunkmonopols zwingen in der Tat — auch ohne ministerielle Aufforderung — zu einem Uberdenken und einer Neuordnung der Zusammenarbeit von nationaler Rundfunkanstalt und nationalen Theatern. Partikularinteressen (auch solche von privaten oder halbprivaten Unternehmungen, die sich an die Bundestheater anhängen) haben gegenüber dem Kommunalinteresse zurückzustehen. Die Zeiten, da es amüsant war, zu sagen: „Der eine heißt den andern dumm”, sind zumindest in diesem Bereich vorüber.

Der Autor ist freier Publizist in Wien.

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