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Fünf wilde Schwäne
Eine der schönsten in der Nachkriegszeit im Norden herausgegebenen Briefmarken zeigt fünf wilde Schwäne auf blauem Grund, die gemeinsam einem Ziel entgegenfliegen. Fünf wilde Schwäne, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island — welcher Künstler besitzt die Kühnheit, sie heute noch in dieser erhebenden Gemeinsamkeit und Einigkeit des Willens darzustellen?
Eine der schönsten in der Nachkriegszeit im Norden herausgegebenen Briefmarken zeigt fünf wilde Schwäne auf blauem Grund, die gemeinsam einem Ziel entgegenfliegen. Fünf wilde Schwäne, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island — welcher Künstler besitzt die Kühnheit, sie heute noch in dieser erhebenden Gemeinsamkeit und Einigkeit des Willens darzustellen?
Nach dem Gedanken von der Nordischen Verteidigungsunion mußte jener von der DANOSVE, der Wirtschaftsunion, begraben werden, nach der DANOVSE fiel die NORDEK, nach der NORDEK ist mit der dänischen Entscheidung für die EWG
auch jene Ersatzlösung in Frage gestellt worden, die man bis in die letzten Tage hinein glaubte retten zu können. Der Weg zu einem geeinten Europa ist mit zerbrochenen nordischen Illusionen gepflastert! Das dänische Abstimmungsergebnis ist in den EWG-Ländern als ein Sieg der Idee von einem geeinten Europa gefeiert worden. Einmütig wird verschwiegen, was die Menschen, die gegen die EWG stimmten, bewogen haben könnte, so und nicht anders zu handeln. Unbeachtet blieb, daß im Rahmen der nordischen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialem und arbeitsmarktmäßigem Gebiet vieles verwirklicht wurde, was in der EWG erst Plan und Ziel ist. Der paßfreie Grenzübertritt, die Arbeitserlaubnis ohne besonderes Ansuchen, das Recht auf soziale Leistungen auch im Nachbarstaat, die Angleichung der Sozialgesetzgebung — alles das war im Norden schon Wirklichkeit, bevor man sich in Brüssel darauf einigen konnte. Alles das war im Norden ohne die Schaffung eines überstaatlichen Apparates erreicht worden, ohne Bindung an ein bestimmtes Sicherheitssystem und bei voller Wahrung der außenpolitischen Handlungsfreiheit. Alles das aber ist, in skandinavischer Sicht, durch die dänische Entscheidung in Frage gestellt worden.
Eine Mehrheit der Bevölkerung in den Ländern Norwegen, Schweden, Finnland und Island, aber auch auf Grönland und auf den Färöer-In-seln, will nicht unter Aufgabe von Teilen ihrer Souveränität in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen werden. In allen diesen Fällen handelt es sich um Völker mit einer alten demokratischen Tradition, die nicht begreifen können, daß die Befürworter wirtschaftlicher und politischer Koordination sie als Antieuropäer und „Querköpfe“ bezeichnen. Ihrer Meinung nach ist der Weg nach Brüssel nicht der einzig mögliche und richtige zu einem geeinten Europa.
Die bündnisfreien Länder werden es dem Europa der Neun gegenüber nicht leicht haben, doch wäre es abwegig, ihre Situation nun als katastrophal zu bezeichnen. Die stolze Formation der fünf wilden nordischen Schwäne mag zerbrochen sein, doch man wird sich im Norden in der nächsten Zeit bemühen, soviel wie nur möglich von der früheren nordischen Zusammenarbeit zu retten. Man wird auch in Brüssel verstehen, daß die Errichtung neuer trennender Mauern dem Gedanken der europäischen Zusammenarbeit nicht förderlich sein kann.
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