6865930-1978_03_07.jpg
Digital In Arbeit

Zersplittert Sicherheitspolitik die nordischen Einheitsträume?

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist bereits einige Jahre her, als die Postverwaltungen der Länder Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden Briefmarken mit einem einheitlichen Motiv herausgaben. Sie zeigte fünf stolze Schwäne im Flug, einem gemeinsamen, irgendwo in westlicher Ferne liegenden, Ziel zustrebend. Es war eine ebenso rührende wie eindrucksvolle Geste, die die brüderliche Verbundenheit dieser Länder dokumentieren sollte. Schon damals hatte man allerdings den mißlungenen Versuch hinter sich, den europäischen Norden zu einem Verteidigungsbund zu vereinen, einem Ziel, dem sich vor allem der damalige schwedische Staatsminister Tage Er-lander mit aller Kraft widmete.Bis er schließlich erkennen mußte, daß ihm mit dem norwegischen Außenminister ein konsequent auf die amerikanische Karte setzender Gegner gegenüberstand, der allen nordischen Einheitsträumen ein Ende machte.

Seither ist viel Wasser die Stromschnellen des Nordlandes hinabgelaufen: Dänemark und Norwegen entwickelten sich zu den treuesten Mitgliedern der NATO, die bei ihren bisher größten Flugzeugbestellungen die Lieferungsangebote des schwedischen Bruderlandes zugunsten des amerikanischen Verbündeten unter den Tisch fallen ließen. Island fand sich - mißmutig, aber doch - mit der Dauerexistenz amerikanischer Militärstützpunkte auf seinem Territorium ab, Dänemark tat dasselbe in be-zug auf Grönland. Finnland erneuerte seinen Freundschafts- und Beistandspakt mit der Sowjetunion, Dänemark trat der EG bei, Schweden blieb zwischen allen Stühlen sitzen...

Eine Postverwaltung, die heute das alte Schwanenmotiv vorschlagen sollte, erschien unter allen Umständen ein wenig weltfremd: Die nordischen Schwäne, soweit sie eben überhaupt noch fliegen, fliegen in sehr verschiedene Richtungen!

Die letzten Wochen (brachten eine Vielfalt von Beweisen dafür, daß im harten Wind der weltpolitischen Spannungen auch die letzten Reste der nordischen Einheitsträume verwehen, so sehr man sich in den Hauptstädten des europäischen Nordens auch an einige künstlich am Leben erhaltene Hoffnungen klammert.

Die Zersplitterung, die in erster Linie auf die Verschiedenheit der Sicherheitspolitik zurückgeführt werden kann, wird immer offensichtlicher. Finnlands Präsident Kekkonen hat seit Anfang Dezember bei einigen öffentlichen Veranstaltungen eindringlich vor einem weiteren Anheizen der politischen Spannung gewarnt, die zum Entstehen einer Kluft zwischen Finnland und dem übrigen Norden führen müßte. Vom Verhältnis Finnlands zur Sowjetunion brauche man keine Gefährdung der Sicherheit im Norden befürchten,meinte der Präsident, wohl aber von einer Steigerung der militärischen Aktivitäten! Es liege im Interesse Finnlands und auch der anderen nordischen Länder, eine Verschärfung der politischen Spannung zu verhindern. Es war unschwer zu erraten, daß Kekkonen dabei auf die immer aktiver werdende Rolle Norwegens in der NATO zielte, und hier besonders die geplante Beteiligung deutscher Militäreinheiten bei den kommenden NATO-Manövern im hohen Norden.

Es ist kein Geheimnis, daß es am Tage der finnischen Jubiläumsfeierlichkeiten in Helsinki in einem Nebenraum des Festsaales zu einem scharfen Wortwechsel zwischen dem sowjetischen Regierungschef Kossygin und den Regierungschefs der nordischen Länder gekommen ist, dessen direkter Anlaß die - nach Kossygin - immer stärker werdende müitärische Aktivität der NATO auf norwegischem Boden war. Kossygin soll dabei gedroht haben, daß sich - falls sich Norwegen und Dänemark der Ausweitung der Atomrüstung nicht widersetzen sollten - die Sowjetunion gezwungen sehen könnte, ebenfalls die Neutronenbombe zu bauen. Als diese Diskussion immer schärfere Formen annahm, soll Präsident Kekkonen tief betroffen den Raum verlassen haben.

Zwei Tage später wurde in den nordischen Hauptstädten bekannt, daß bei der eben abgeschlossenen NATO-Versammlung in Brüssel der norwegische General Zeiner-Gunder-sen sich von allen Anwesenden am entschiedendsten für die Einbeziehung der Neutronenbombe in das Rüstungsarsenal ausgesprochen hatte. Eine Befürwortung der Neutronenbombe erwartet man auch von Groß-britanien, Belgien und der Bundesrepublik, mag sein nach einem gewissen Zögern und der Vorbringung mancher Bedenken. Soviel man weiß, ist der Ansicht des norwegischen Generals von der norwegischen Regierung bisher nicht widersprochen worden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung