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Endlich „Frieden schließen

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Kuusi forderte in einigen Vorträgen im vergangenen Sommer die Sozialdemokraten auf, mit Kekko-nen endlich Frieden zu schließen und die Außenpolitik Finnlands, wie sie von Paasikivi und Kekkonen geformt worden ist, als die in der gegebenen Situation einzig mögliche anzuerkennen. Kuusi glaubt, daß man dabei ist, die Kluft zwischen Ost und West zu überbrücken und daß dabei die finnischen Sozialdemokraten eine hervorragende Rolle spielen könnten. Die kommunistischen Länder sind so intensiv damit beschäftigt, ihre Wirtschaft aufzubauen und ihren Wohlstand zu erhöhen, daß ihnen für kriegerische Abenteuer in Richtung Westen sowohl die Zeit, als auch die Kraft und die Lust fehlt. Deshalb ist für Finnland die Zeit reif dafür geworden, die Rolle eines Vorpostens des Westens gegen den Osten zu übergeben und seine Verbindungen ostwärts zu verstärken. Das Verlassen einer Kampfposition, die man weniger in den Handlungen als im Denken und Fühlen eingenommen hat, bedeutet jedoch auch ein freieres und offenbares Verhältnis zum Westen, einen Raumgewinn für liberalere Vorstellungen, und damit auch die Eröffnung eines Weges zu einem „nationalen Sinnesfrieden ! — So etwa sind die Gedankengänge Kuusis.

Hinter Kuusi stehen heute der Parteivorsitzende Paasto, einige andere führende Sozialdemokraten und die einflußreiche Zeitung des seit jeherroten, Tammerfors, „Kansan Lehti“ mit einer .Auflage von etwa 20.000 Exemplaren. Gegen ihn stehen die Rechtssozialisten Leskinen und Pitsinki, deren Einfluß besonders in der Hauptstadt selbst immer noch so stark ist, daß sie eine baldige und vollständige Aussöhnung verhindern können. Doch wird nun die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit von so vielen Seiten betont, daß ein gewisser Optimismus berechtigt erscheint.

Nach de*n Erfahrungen in den letzten Wahlen bemühen sich konservative Kreise in Dänemark, Schweden und Finnland gleich stark um einen Zusammenschluß in bürgerlichen Lagern. In allen drei Ländern verwendet man dabei dieselben Argumente. Was Finnland betrifft, so hat das Ergebnis der Kommunalwahlen den Freunden einer bürgerlichen Einheitsfront starke Argumente gegeben, was noch nicht bedeutet, daß sie überall im Lager der Rechten Gehör finden werden. Die Sozialdemokraten erreichten 90.000 Stimmen und konnten in den Gemeinden 400 neue Mandate gewinnen. In den drei größten Städten des Landes, in Helsinki, Tammer-fors und Abo, ist man nun die stärkste Partei. Die langjährige Oppositionsstellung und das Zurückströmen der oppositionellen Linkssozialisten werden auf bürgerlicher Seite als die Hauptursachen dieses Erfolges bezeichnet.

Dieses Bestreben zur Konzentration hat sein Gegenstück auf der Linken. Das Verschwinden Chruschtschows von der politischen Arena hat dort einen tiefen Eindruck gemacht. In der ersten Verwirrung hatte der kommunistische Parteisekretär ViUe Pessi geschrieben, daß es scheine, als ob die Kritik gegen Chruschtschow wegen Förderung des Personenkultes und allzuhäufigen Hervortretens berechtigt sei. Diese Stellungnahme wurde auch in der europäischen Presse wiedergegeben. Nicht erwähnt blieb jedoch, daß kurz darauf der linksradikale Schriftsteller Pentti Saari-fcosfci in einer scharfen Erklärung, die sogar im Zentralorgan der Kommunisten, „Kansan Uutiset“ , veröffentlicht wurde, die Verbeugungen des kommunistischen Zentralsekre-tärs vor den neuen Machthabern in Moskau scharf verurteilte. Die Leser der Zeitung trauten ihren Augen nicht, als sie eine Woche später eine noch schärfere Kritik des bisherigen kommunistischen Verhal-

tens von Saarikoski lesen konnten: „Konnte man einen besseren Beweis für die Wahrheit in den Behauptungen der Gegner, die Kommunistische Partei sei ferngesteuert, erhalten als in den Äußerungen Pessis? Wie leicht ist es jetzt, euch zu verhöhnen: Wenn ihr der Meinung gewesen seid, das (der Hinauswurf Chruschtschows) war motiviert, wenn ihr“ ,solche Anzeichen gesehen' habt, warum habt ihr nicht den Mund aufgemacht und geredet? Weil ihr es nicht gewagt habt! Weil ihr nicht denkt, sondern nach einer Pfeife tanzt!

Eine solche Diskussion, eine solch scharfe Selbstkritik wäre bei der finnischen kommunistischen Partei vor einem Jahr noch undenkbar gewesen. Es ist nicht sehr verwunderlich, daß die Sozialdemokraten den bald darnach folgenden Vorschlag auf einen Zusammenschluß im Lager der Linken nicht sofort und nicht unbedingt ablehnten, wie sie es bisher immer getan hatten, sondern sehr vorsichtig und abwartend reagierten.

Diese Änderung ist auch auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik und hier besonders im Außenhandel bemerkbar. Im ersten Halbjahr 1964 erhöhte sich die Ausfuhr Finnlands — im Vergleich mit derselben Zeit des Vorjahres — nach dem EWG-Raum um 18 Prozent, nach dem EFTA-Raum um 34 Prozent und nach den USA ebenfalls um 34 Prozent. Dagegen fiel die Ausfuhr nach den Ostblockländern um 7 Prozent zurück und nach der Sowjetunion allein um 19 Prozent. Der Totalexport Finnlands dürfte 1964 um 9 Prozent steigen, an dieser Steigerung ist der Ostblock überhaupt nicht beteiligt! Ein weiterer interessanter Umstand: Der Export nach der Sowjetunion soll von 1966 bis 1970 um 20 Prozent ansteigen, das ist etwa die Steigerung, die man gegenüber den EWG-Ländern in einem Jahr erreicht!

Alles zusammengenommen läßt den Schluß zu, daß der Westwind über Finnland stärker fühlbar ist als jemals seit Ende des zweiten Weltkrieges!

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