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Es geht um mehr als den Kabeljau

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Als Englands Premierminister M a c m i 11 a n vor einiger Zeit nach Oslo kam, um mit Mitgliedern der norwegischen Regierung eine Reihe

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Als Englands Premierminister M a c m i 11 a n vor einiger Zeit nach Oslo kam, um mit Mitgliedern der norwegischen Regierung eine Reihe

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Norwegen hat nicht nur die weitaus größte Handelsflotte der Welt — im Verhältnis zur Einwohnerzahl gerechnet —, sondern auch einen umfangreichen Export an Produkten der Fischerei. Auch das schlechte Fischereijahr 1959 brachte für Norwegen noch dasselbe Fangresultat wie für Großbritannien, Kanada oder Indien. Norwegen ist jedoch unter diesen vier Ländern der weitaus größte Fischexporteur. Island exportierte für 55 Millionen Dollar, Dänemark für 43 Millionen Dollar, Portugal für 37 Millionen Dollar und Norwegen für 165 Millionen Dollar. Seit 1948 erhöhte man die Produktion und die Ausfuhr von gesalzenem Dorsch um 40 Prozent. Der gesamte Exportwert stieg in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent.

Alles das ist nach Meinung der norwegischen Fischer in Gefahr, wenn das bisherige Territorialgebiet zur See nicht von vier auf zwölf Meilen vom Land erweitert wird. Die Regierung hat dieser Forderung nun grundsätzlich zugestimmt, trotz scharfer englischer Warnungen. Wird es nun auch hier, genau so wie in den Gewässern um Island, zu einem Fischereikrieg um den Kabeljau kommen?

Nach dem Scheitern von drei internationalen Konferenzen, die eine einheitliche Regelung für die Seegrenzen finden sollten, schreiten die nordischen Länder aus eigener Machtvollkommenheit zur Änderung der bestehenden Rechtsverhältnisse zur See. Norwegen wird außerhalb der jetzigen Seegrenze eine Fischereizone schaffen, die nur - in einer Übergangsperiode für fremde Fischer offen sein wird. Dänemark hat den Färöerinseln die Einführung der Zwölfmeilenzone zugesagt. Grönland wird ebenfalls seine erweiterte Fischereizone erhalten — nach Erhalt der notwendigen bewaffneten Bewachungsfahrzeuge! Über die Änderung der Seegrenzen um Dänemark soll auf der Tagung des Nordischen Rates in Reykjavik im Juli verhandelt werden. Island behauptet seit September 1958 mit Erfolg sein Recht auf die Zwölfmeilenzone, ungeachtet des Einsatzes von 47wuenglischen-“KFieg9SohJffen flaute •-'von zwölf Monaten: Die Grenzen zur See sind über-• 11 irauS^wimrfte^sgdraee, uritb'ifesf<1wabeunruhigend, denn es geht auch nicht nur um die Fischerei Norwegens oder Grönlands, sondern um ein jahrzehntelang geltendes Rechtsprinzip, das durch ein Vakuum ersetzt wurde, da sich die verantwortlichen Mächte wieder einmal nicht einigen konnten!

Eine sehr weitherzige Grenzziehung von Landspitze zu Landspitze gab auch bisher schon den Norwegern sehr umfangreiche „Binnenmeere“, die sie mit oft harten Methoden als ihr Territorialgebiet verteidigten. Die anderen NATO-Länder nahmen auf die norwegische Empfindlichkeit Rücksicht, die Russen aber fuhren einige Male in diese weiten Meeresgebiete ein, und hatten bald allen Anlaß, dies zu bereuen!

Es geschah, daß norwegische Jagdflugzeuge unter Anwendung der Bordwaffen 16 große russische Trawler zwangen, den Hafen von Alesund anzulaufen. Man beschlagnahmte den reichen Fang, hielt die Schiffe viele Tage lang zurück und entließ sie erst, als der russische Handelsattache in Oslo mit grimmiger Miene 629.000 norwegische Kronen auf den Tisch gelegt hatte. Keine Milde für Fischräuber! „Und dabei waren sie nicht einmal so höflich, uns einen Whisky anzubieten!“ berichtete der Führer der Flottille nach der Heimkehr. Bei anderen Gelegenheiten wurden englische, holländische und deutsche Fischer mit hohen Geldstrafen belegt. Und einige schwedische Fischer gerieten erst vor einigen Tagen in den Granatenregen eines norwegischen Kriegsschiffes, dessen Kommandant „vergessen“ hatte, zu melden, daß er im beliebtesten Krabbenfanggebiet der Schweden ein Scharfschießen veranstalten wollte!

Die Epoche der Drei- und Viermeilenzonen ist ganz offenbar vorbei. An ihre Stelle ist eine Periode der Unsicherheit und der vieldeutigen Ansprüche getreten. Der Streit wird nicht unbegrenzte Zeit andauern können, und auch in den nordischen Ländern ist man gewillt, eine Regelung zumindest für eine Gruppe von Ländern zu schaffen. Denn es geht ja in diesem Streit um die Fischbänke letzten Endes um die Gesundheit und das Leben von Menschen, und das ist das Wichtigste.

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