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Grenzstreit mit Moskau: Es geht um Fische, öl und Sicherheit

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Gegen den Widerstand der bürgerlichen Opposition hat das Störung, das Parlament von Oslo, ein norwegischsowjetisches Abkommen akzeptiert, das die Fleischereizonen im Barentsee regeln soll. Es gehört zu den Seltenheiten, daß die Außenpolitik in Norwegen Grund für Uneinigkeit gibt Doch diesmal glaubten die bürgerlichen Parteien, von der gemeinsamen Linie abweichen zu müssen. Das Abkommen, so meinen sie, schade den norwegischen Interessen eklatant.

Der Vertrag mit der UdSSR ist keine endgültige Lösung. Erst wenn die beiden Staaten sich über ihre Grenzen geeinigt haben, wird ein solches endgültiges Abkommen zustande kommen können. „Grauzoneabkommen“ heißt der Pakt, derart demonstrierend, daß es sich um ein Gebiet mit ungeklärtem rechtlichem Status handelt. Norwegen möchte das Meer, das teils eigenes, teils russisches Gewässer ist, nach dem „Mittlinieprinzip“ teilen, wie es in der Genfer Konvention von 1958 festgehalten ist. Die Sowjetunion aber verlangt die Aufteilung des umstrittenen Gebietes nach Sektoren. Diese Auffassung verlegt die Grenze um ein gutes Stück nach Westen.

Das „Grauzonenabkommen“ stellt nun jenes Gebiet, das nach dem „Mittlinieprinzip“ Norwegen zufallen würde, zum Großteil unter gemeinsame Oberhoheit. 9500 Quadratkilometer kommen einstweilen unter russische

Jurisdiktion, 10.000 werden zu „freiem Meer“ erklärt und der große Rest -41.500 Quadratkilometer wird unter gemeinsame russisch-norwegische Verwaltung gestellt - auch jene 23.000, die selbst bei Anwendung des Sekto-renprinzipes an Norwegen fallen würden. Die norwegische Opposition meint zurecht, daß dieses Abkommen, das der sozialdemokratische Seerechtsminister Jens Evensen als das „im Augenblick bestmögliche“ bezeichnet, noch um ein gutes Stück ungünstiger ist als das „Sektorenprinzip“, dem man sich so heftig widersetzt.

Die „Arbeiterpartei“ entgegnet auf diese Vorwürfe, daß im Vertragstext ausdrücklich festgehalten sei, daß dem „Grauzonenabkommen“ keine vorgreifende Bedeutung zukomme. Das Abkommen ist zunächst nur bis zum 1. Juli gültig, doch gilt die Verlängerung als nahezu sicher. Derzeit deutet nichts darauf hin, daß sich Norwegen und die UdSSR bis Juli über eine endgültige Regelung einig sein werden.

Das Fischereiabkommen ist nur ein Teil des Grenzproblemes, das derzeit die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Norwegen beeinträchtigt. Ein zweiter Streitpunkt ist die Frage der Rechte über den Meeresgrund. Die Sowjets wollen auch hier das Sektorenprinzip für die Grenzziehung angewandt sehen. Norwegen hat sich zu Kompromissen bereit erklärt,

doch diese Bereitschaft ist bisher einseitig.

Es geht bei den sogenannten „Sok-kelverhandlungen“ über den Meeresgrund vor allem um die vermuteten Ölvorkommen. Noch sind keine Probebohrungen vorgenommen worden, doch ökologische Untersuchungen lassen vermuten, daß der Barentsee noch günstiger für die ölsuche ist als die Nordsee. Außerdem hat das Meer im Norden Europas eine außerordentliche strategische Bedeutung. Die UdSSR fürchtet die Errichtung von NATO-Basen auf norwegischem Gebiet und wünscht daher eine Grenze, die so weit westlich wie möglich verläuft. Es ist allerdings ein festes Prinzip norwegischer Sicherheitspolitik, auf eigenem Grund keine ausländi-■schen Militärbasen zu dulden.

Hingegen weist man darauf hin, daß auf der grenznahen Halbinsel Kola die sowjetische Nordflotte stationiert ist, daß dort Atom-U-Boote liegen und ein gutes Dutzend Militärflughäfen angelegt sind. Man glaubt in Oslo nicht, daß diese Einheiten gegen Norwegen gerichtet sind - aber man möchte auch nicht bei einer amerikanisch-russischen Auseinandersetzung ins Schußfeld kommen. Daher hat auch Norwegen sicherheitspolitische Interessen an einer für das Land günstigeren Meeresgrenze zur UdSSR.

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