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Keine goldenen Zeiten

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Nach einer Zeit voll hochgespannter Erwartungen ist die norwegische Öffentlichkeit dabei, zu entdecken, daß auch die Blütenträume einer neugeborenen Erdölnation im rauhen Wind einer von Unruhe geprägten Zeit verwehen können. Eben mußte man zur Kenntnis nehmen, daß die bisher tiefste und kostpielig-ste im Kontinentalsockel vorgenommene Bohrung auf Erdöl zur ersten großen Enttäuschung wurde, da sie nur Sand und Gestein ans Tageslicht förderte. Und dabei hatte die bohrende „Esso Exploration“ sich bis auf 5600 Meter hinab gewagt. Aus dem Sektor der Schiffbau-Industrie wiederum kommt die Nachricht, daß allein der Aker-Konzern binnen kurzer Zeit nicht-weniger als zehn bestellte Tankschiffe aus seinen Or-derbüchem hatte streichen müssen, da die Einkünfte aus der Tankschifffahrt so tief abgesunken sind, daß es keine Reederei mehr wagt, ein neues Fahrzeug in den Dienst zu stellen. Der genannte Konzern, der im Vorjahr sieben Schiffe, gleichbedeutend mit 47,5 Prozent aller in Norwegen gebauten Fahrzeuge, ausliefern konnte, wird sich wohl durch den Bau von weiteren zehn Bohrplattformen über Wasser halten können, muß aber einen Teil seiner Belegschaft entlassen.

Etwas besser geht es einigen Gruppen von Erdölgesellschaften, die das Naturgasvorkommen im Eldfisk-, im Edda-, Tor- und im Albuskkjellfeld ausbeuten. Diese Gesellschaft, die Phillips-, Amoco-Noco-Gruppe und die A/S Norske Shell werden mehr Gas nach Emden liefern können, als man früher angenommen hatte. Auch Norwegen, das ja die Förderung dieses Gases großzügig, aber wenig vorausschauend, ausländischen Gesellschaften überlassen hat, wird mehr Gas als vorgesehen beziehen können. Außerdem haben diese Gruppen dem norwegischen Staat eine 35prozentige Beteiligung an der in Emden zu errichtenden Gasverarbeitungsanlage angeboten. Das Gas aus den norwegischen Feldern wird in einer Femleitung, die zu 50 Prozent dem Staatsunternehmen Statoil gehört, nach dem nordwestdeutschen Hafen geleitet, zum Ärger der Dänen, die lange darauf gehofft hatten, daß sie diesen so wertvoll gewordenen Rohstoff in ihrem Lande würden verarbeiten können.

Die norwegische Statoil hat jedoch noch andere, weit darüber hinausgehende Investitionspläne. Sie sind so umfassend, daß sich die norwegische Regierung genötigt sah, sie in einem eigenen Weißbuch darzulegen. Man hat bereits die Zustimmung des Parlamentes dazu erhalten, von dem Optionsrecht auf 40 Prozent des Heimdal-Gasfeldes Gebrauch zu machen. Allein der Kapitalbedarf für das laufende Jahr wird auf 1,2 bis 1,5 Milliarden Kronen geschätzt. Für die geplanten Investitionen der Jahre 1975 bis 1978 aber braucht man nicht weniger als 9,4 Milliarden. Diese Milliadenbe-träge können nur mit Hilfe des Staates im Ausland aufgebracht werden, in der Form von Staatsanleihen auf dem internationalen Kapitalmarkt. Man muß sich also darauf gefaßt machen, daß Norwegen in den näch-

sten Jahren sich mit einer ganzen Reihe von Anleihewünschen auf dem Weltmarkt melden wird. Noch in diesem Jahr dürfte man eine Auslandsanleihe in der Höhe von 650 Millionen Kronen auflegen.

Man braucht jedoch nicht nur Geld für die Erdölindustrie, sondern

auch für die militärische Rüstung. Den Kauf des schwedischen Jagdflugzeuges „Viggen“ haben die Norweger bekanntlich abgelehnt, obwohl ihnen dieses zu sehr vorteilhaften Bedingungen angeboten worden war. Norwegen setzte sich jedoch — auch gegenüber den anderen drei interessierten NATO-Ländern — für den Ankauf des amerikanischen F-16 ein. Außerdem will man nun von den USA auch noch die Abwehrrakete „Roland II“ übernehmen, die Abänderung einer ursprünglich deutsch-französischen Konstruktion.

Im Gegensatz zu einer früheren Wirtschaftsprognose der Regierung zeichnet nun eine vom norwegischen Industrieverband angestellte Analyse ein etwas trüberes Bild der wirtschaftlichen Situation des Landes. Die Regierung glaubte eine Erhöhung des Bruttonationalproduktes um 6 Prozent voraussagen zu können, der Industrieverband rechnet nur mit höchstens 3 Prozent. Der Export soll, nach der Regierungsprognose, um 4 Prozent steigen, nach der jüngsten Analyse jedoch nur um 2 Prozent. Ähnliche Unterschiede bestehen auch auf anderen Gebieten. Das Resultat einer bescheideneren wirtschaftlichen Entwicklung aber wird unter allen Umständen ein rekordhohes Defizit in der Zahlungsbilanz Norwegens sein, das zudem nicht mehr wie in früheren Jahren durch die hohen Gewinne der Handelsschiffahrt gedeckt werden kann. Noch im Jahre 1973 standen 13,99 Milliarden Kronen Bruttoeinnahmen der Handelsschiffahrt nur 6,3 Milliarden Betriebskosten und andere Ausgaben gegenüber, was einen Nettoüberschuß von 7,5 Milliarden ergab. Diese goldenen Zeiten sind vorbei.

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