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Sturm im Kattegat

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Dänemarks Regierung hat in der letzten Zeit wahrlich zu spüren bekommen, welche Probleme und Gefahren es mit sich bringen kann, genau an der Nahtstelle zweier Machtbereiche zu liegen, einem von ihnen anzugehören, und sich gleichzeitig um ein möglichst gutes Verhältnis auch zur Großmacht im anderen Lager bemühen zu müssen. Und die dominierende Militärmacht im Westen hat dem kleinen Land zwischen den Giganten den Balanceakt wahrlich nicht erleichtert.

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Dänemarks Regierung hat in der letzten Zeit wahrlich zu spüren bekommen, welche Probleme und Gefahren es mit sich bringen kann, genau an der Nahtstelle zweier Machtbereiche zu liegen, einem von ihnen anzugehören, und sich gleichzeitig um ein möglichst gutes Verhältnis auch zur Großmacht im anderen Lager bemühen zu müssen. Und die dominierende Militärmacht im Westen hat dem kleinen Land zwischen den Giganten den Balanceakt wahrlich nicht erleichtert.

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Es begann vor einigen Monaten mit einer harten Kritik des Oberbefehlshabers der NATO-Streitkräfte im Nordabschnitt an der Verteidigungsbereitschaft und sogar dem Verteidigunjgiswillen Dänemarks und Norwegens bei einem angenommenen Angriff aus dem Osten. Die Ab-wehrkraft dieser beiden Länder ist — so meinte der Herr General mit Überzeugung — keinen Pfifferling wert und würde kaum eine Stunde durchhalten. Unmittelbar darnach kam eine scharfe Kritik des eben erst ernannten amerikanischen Botschafters in Kopenhagen, Fred J. Rüssel, an der Haltung der dänischen Regierung gegenüber der Obersten-Junta in Athen und zur vietnamesischen Frage. In beiden Fragen hätte sich die dänische Regierung an den Auffassungen der amerikanischen Regierung orientieren sollen, meinte der Botschafter. Und weil doppelt genäht besser hält, schlug auch der Generalsekretär der NATO, der Holländer J. Luns, in dieselbe Kerbe und kritisierte auch noch die unfreundlichen Äußerungen der Dänen zur portugiesischen Militärpolitik in Afrika. Darauf antwortete der dänische Außenminister, daß der Generalsekretär der NATO gut daran tue, hier rasch umzudenken und zur Kenntnis zu nehmen, daß die Stellungnahme zu außenpolitischen Fragen eine Sache der Regierungen und nicht des NATO-Sekretariates sei. Wie man sieht, bringt die Mitgliedschaft in der nordatlantischen Verteidigungsorga-nisation für Dänemark manchen Ärger mit sich, womit nicht gesagt sein soll, welche von den beiden Instanzen nun die Machtverhältnisse besser erkennt und sich dementsprechend richtiger verhält.

In den folgenden Wochen häuften sich die beunruhigenden Vorfälle, die alle daran erinnerten, daß die dänischen Inseln und das Fahrwasser zwischen ihnen und der schwedischen Küste nun einmal zu einem Brennpunkt der strategischen Interessen beider Großmächte geworden ist. Hier kann den Flotten der Ostseeländer der Weg zum Weltmeer verlegt werden und durch diese Pforte können die Seestreitkräfte der NATO-Länder in die Ostsee eindringen. An dem Besitz und dem Offenhalten dieses Schlosses zur Ostsee ist jeder der beiden Machtblöcke interessiert —, und jeder befürchtet, daß dieses Schloß in die Hände des anderen fallen könnte. -,-

Mit ausgesprochenem Mißvergnügen beobachteten deshalb die Dänen, daß sich im nördlichen Zipfel Jüt-lands westdeutsche Marinetechniker häuslich einrichteten und von dort die Probefahrten neuer U-Boote unterstützten. Die Sache wurde nicht besser dadurch, daß man feststellte, daß diese U-Boote ausgerechnet für die Junta in Athen bestimmt waren und Teil einer jener amerikanischdeutschen Waffensendungen darstellten, die man in Dänemark so hart kritisiert hatte. Aufgeregten Stimmen, die ein Verbot forderten, antwortete Verteidigungsminister Kjeld Olesen, daß diese Übungen außerhalb der Dreimeilenzone stattfänden und man sie deshalb nicht verbieten könne. Die Benützung dänischer Häfen habe man nicht gestattet und eine solche habe auch nicht stattgefunden.

Auch mit ostdeutschen Marine-Einheiten hatte man allerlei Unannehmlichkeiten. Torpedoboote der DDR, die bisher nur in der Ostsee geübt hatten, tauchten plötzlich im Kattegat auf, ohne daß das dänische Marinekommando von der Durchfahrt durch den Sund verständigt worden wäre, so wie es die Internationalen Bestimmungen verlangen. Eine Gruppe bestand aus fünf Torpedobooten der Shershen-Klasse. Als sich ein dänisches Bewachungsfahrzeug dieser Gruppe näherte, leitete eines der ostdeutschen ein Manöver ein, das nur als ein Versuch zum Rammen verstanden werden konnte.

Nimmt man dazu noch die jüngst bekanntgewordenen Fälle sowjetischer Industriespionage (die zur „freiwilligen“ Rückberufung von drei Angestellten der sowjetischen Botschaft in Kopenhagen führen werden!), die verstärkte Flottenaktivität auch von russischer Seite, die Durchfahrungen von Sund und Belt ohne Voranmeldung, daneben auch noch die amerikanischen Drohungen mit dem Boykott dänischer Waren wegen des Streites um die Lachsfänge im Nordatlantik — der gerade jetzt von neuem aufflammt —, dann bleibt nur die Feststellung, daß Dänemarks Volk wirklich allen Grund bat, zu hoffen, daß sich die Spannung zwischen Ost und West nicht noch mehr verstärke. Die Bomben, die heute auf Vietnam fallen, deuten an, was ein kleines Land bei einem Zusammenprall der Giganten zu erwarten hat.

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