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Teufel an der Wand

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Von Fritz Stern gibt es ein inzwischen neuaufgelegtes Buch ,J£ulturpessimismus als politische Gefahr” (dtv). Dort geht der vor Hitler aus Deutschland in die USA emigrierte Historiker den Zerstörungskräften im kulturellen Leben nach, die den Bodenfür den Nationalsozialismus bereitet haben.

Dabei beweist er, daß der immer tiefer dringende und immer weiter ausgreifende Wertrelativismus, die immer lauter werdenden Propheti-en des bevorstehenden Unterganges unserer Kultur und Zivilisation eine entscheidende Rolle für das Heraufkommen der politischen Diktatur der Gewalt und aller späteren Katastrophen gespielt haben.

Staaten und Kulturen, das weiß man seit dem Zusammenbruch des alten römischen Reiches, sterben von innen.

Wir befinden uns wiederum in einer Phase des zunehmenden Kulturpessimismus. Die Bücher geistreicher oder auch nur schicker Modephilosophen, die den Untergang des Abendlandes voraussagen, sprießen aus den Verlagskatalogen und in den Buchläden. Sie werden auf den Kulturseiten sowohl der linken als auch der konservativen Zeitungen — die um Gotteswillen nicht zurückbleiben wollen — wenige Tage nach Erscheinen ausführlich besprochen.

Ob sie postmodern oder wie auch immer bezeichnet werden, sie beginnen den Blick auf die Vielfalt der heutigen Phänomene zu verstellen. Wenn mein lieber Freund E. M. Cioran (mit dem ich geistig so wenig übereinstimme) von der .Anziehungskraft des Bankrotts” schreibt, dann weiß er Bescheid.

Karl Popper sagte einmal: „Wenn nur hinreichend viele Menschen an den Untergang des Abendlandes glauben, dann wird es sicher untergehen; sogar dann, wenn es ohne diese Propaganda seinen Aufstieg fortgesetzt hätte.”

Wir sind eben dabei, in unserem trotz Arbeitslosigkeit durchaus'nahrhaften Sozialstaaten des Westens sehr beredt den unaufhaltsamen Zusammenbruch zu verkünden.

Mit der zynischen Vernunft” erreicht man heute — unter großem Beifall der Konservativen — Riesenauflagen, mit „postmodernem” Totalrelativismus liegt man bestens, ist man „in”. Egon Friedeil sagte einmal: „Das Abendland wird untergehen, aber nur soweit es von Spengler ist.” Statt Spengler kann man heute viele Namen nennen.

Die Luft des Wohlstands, der demokratischen Freiheit, der Meinungsvielfalt wurde uns so selbstverständlich, daß vor allem jene, die sie nie vermißt haben, diese bestehende Selbstverständlichkeit vergessen. Ist die Luft deshalb weniger wertvoll?

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