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Wer wird Herr über Südafrika?

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Südafrika hat sich seit 1988 völlig verwandelt. Die große Mehrheit der weißen Bevölkerung ist für die Abschaffung der Apartheid. Damit ist auch das Tor zur Demokratie offen; nur ist es schwer zu durchschreiten, weil es keine gemeinsame Vorstellung von Demokratie gibt.

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Südafrika hat sich seit 1988 völlig verwandelt. Die große Mehrheit der weißen Bevölkerung ist für die Abschaffung der Apartheid. Damit ist auch das Tor zur Demokratie offen; nur ist es schwer zu durchschreiten, weil es keine gemeinsame Vorstellung von Demokratie gibt.

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Nicht mehr einfach Schwarz und Weiß stehen einander gegenüber, sondern eine in sich uneinige Schwarz-Weiße Koalition gegen eine andere in sich uneinige Schwarz-Weiße Koalition und dazu noch schwarze, farbige und weiße Interessengruppen der verschiedensten Art. Also im Grund die idealen Zutaten für eine konsensfähige Demokratie. Aber noch sehen die einzelnen Teile das nicht auf diese Weise.

Vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine Periode der verhältnismäßig freien Entwicklung der Schwarzen. Nach dem Ersten Weltkrieg trat die „Weiße Macht" auf die Bremse. Schlimm wurde es jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg und da erst richtig mit Ausbruch des Kalten Kriegs. Vorwand war die Bedrohung durch den Kommunismus, wobei „Kommunismus" und „Gleichheit der Rassen" auf dieselbe Ebene gesetzt wurden. Die Theorie hatte jedoch ihre Widersprüche. Daß trotz der gegenteiligen Praxis die Anerkennung des Anrechts auf gleiche Entwicklung bis hinein in die rechten weißen Gruppen erhalten blieb, zeigt sich jetzt in den Bündnissen mit der Inkatha.

Der Inkatha und ihrem Führer Mangosuthu Buthelezi wird viel Schlechtes nachgesagt, doch auch hier sollte man vorsichtig mit schnellen Urteilen sein. Das Problem liegt in bezug auf die Inkatha in der Vorstellung von „Demokratie" auf der schwarzen Seite. Buthelezi war einer der Führer des ANC (African National Congress/Nelson Mandela) und wäre es noch heute, wenn sich dort nicht die Leninsche politische Strategie durchgesetzt hätte. Buthelezi selbst hat sich hinentwickelt zum Führer eines Stammes mit ebenfalls unklaren Vorstellungen von Demokratie.

Buthelezi Mangosuthu ist heute König des „Bantustans" Kwa-Zulu, mit der Hauptstadt Ululu. „Buthelezi" ist ein Klan des Stammes der Zulu. Vom modernen Politiker zum Stammeskönig wandelte Mangosuthu sich auf Anraten seiner Genossen in der damaligen ANC-Führung. Als solcher gründete er die „Inkatha" 1975. Auch das war eine Idee des ANC, die nach leninistischem Politrezept „Front-Organisationen" schuf, um schließlich zur „Volksfront breiter Massenbewegungen" zu kommen. Doch die südafrikanische Regierung verweigerte damals die von der Inkatha verlangte Unabhängigkeit von Kwa Zulu. Soweit gab es noch kein Problem zwischen Inkatha und ANC. Buthelezi stimmte jedoch innerhalb der ANC gegen bewaffneten Kampf, ebenso wie gegen Schulboykott, den Boykott weißer Geschäfte, sowie den internationalen Wirtschaftsboykott gegen Südafrika. In dem nun schon weitgehend von der stalinistischen südafrikanischen KP beherrschten ANC gab es aber keinen Platz für abweichende Meinungen. 1979 kam es zum Ausschluß Buthelezis aus dem ANC.

Dadurch kam es aber auch zur stammesmäßigen Spaltung der schwarzen Bewegung, denn wider Erwarten des ANC folgten die Zulus ihrem Stammesführer und verließen geschlossen den ANC. Die Zulus waren einst die Eroberer des mittleren und nördlichen Südafrika, das bereits von Xhosas und Hottentotten und nur im Süden von Weißen bewohnt war. Dem klassischen Schema folgend, stellten sie also bis zur Eroberung des Landes durch die Buren innerhalb der schwarzen Bevölkerung eine aristokratische Kriegerkaste dar. Die Xhosas und Hottentotten hatten nicht viel zu sagen. Nun war es angesichts der Spaltung der schwarzen Bewegung für die Weiße Macht ein Leichtes, alte Feindseligkeiten wiederzuerwecken.

Politischen Charakter hatte in der Tat die Unterstützung der Inkatha durch die weiße Regierung. Bis es schließlich - nicht ohne Parallelen zur Perestrojka - zum Aufbrechen der Apartheid kam. Die war keineswegs das persönliche Werk Präsident Frederik Willem de Klerks. Bereits im Dezember 1988 hielt Roelof Botha, der auch heute noch südafrikanischer Außenminister ist, eine programmatische Rede vor internationalem Publikum in Brazzaville, der Hauptstadt des Kongo, in der er die Schritte ankündigte, die zum Ende der Apartheid führen würden. Niemand nahm damals diese Rede ernst. Doch es handelte sich sehr wohl um die Ankündigung einer von der „Weißen Macht" bereits gefaßten politischen Entscheidung.

In den Augen der Weißen ist Gleichheit etwa, daß ein Schwarzer in jedem Bus fahren, jedem Haus wohnen, jede Stelle bekleiden darf, für die er geeignet ist. Klar, daß der Großteil der Weißen sich dabei sicher ist, daß es noch lange dauern wird, bis die Schwarzen das Niveau der Weißen erreichen werden. Ein Teil allerdings, das sind die Rechten, will eine ganze Anzahl von gegenwärtigen weißen Vorrechten gesetzlich absichern.

Für den schwarzen Teil der Bevölkerung bedeutet das Ende der Apartheid prinzipiell die Angleichung des Lebensstandards und die Übernahme der politischen Macht nach dem

Prinzip „ein Mann, eine Stimme". In der Zwischenzeit hat selbst der ANC eingesehen, daß vorläufig noch genügend schwarze Führungskräfte fehlen. Vor allem aber ist es das Demokratieverständnis, mit dem man sich schwer tut. Denn während der langen Jahre des Kampfes gegen die Apartheid hat der ANC stalinistische Prinzipien integriert und versteht unter „Demokratie" seine eigene Einparteiherrschaft; Diktatur ist dagegen die Herrschaft der anderen, wer immer sie sind. Daher auch .der erbitterte Kampf zwischen ANC und Inkatha.

Beide Bewegungen lassen vorläufig die Frage der Stimmengleichheit von Schwarz und Weiß beiseite. Vorerst möchte jede Bewegung die Vorherrschaft über den schwarzen Bevölkerungsteil absichern oder erreichen. Die'Arithmetik ist dabei klar, wer die Stimmen der Schwarzen beherrscht, wird bei endgültiger Stimmengleichheit Herr über Südafrika.

Zahlenmäßig sind die Xhosas wohl am stärksten und damit hätte der ANC gute Chancen am Ende die Macht zu ergreifen. Er hält also entschlossen am Prinzip des Anspruchs der Alleinvertretung der Schwarzen fest, wer dem nicht zustimmt, kann nur Verräter sein. Die Inkatha wiederum leitet ihren Alleinvertretungsanspruch von der Herrscherrolle der Zulu über die Xhosa ab. Auf jeden Fall kommt es für sie nicht in Frage, daß letztendlich via Wahlen ein Xhosa über Zulus herrschen könnte. Solange diese zwei Parteien nicht vom jeweiligen Anspruch abgehen, exklusive die schwarze Bevölkerung zu vertreten, so lange wird das gegenseitige Morden weitergehen. Natürlich versuchen Rechtsextreme von der weißen Seite ebenso wie Linksextreme von der schwarzen Seite, mit Hilfe des Konflikts ihr Süppchen zu kochen. Darin darf man aber nicht die Ursache des Konfliktes sehen - nur am brennenden Feuer läßt sich die Suppe kochen. Das scheinen die Spitzen der beiden Parteien bereits begriffen zu haben, doch aus einer Dynamik der Konfrontation herauszukommen, ist schwer.

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