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Gescheiterter Dialog

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„Man sagt, daß der Papst krank ist; sagen wir es klar: seine Krankheit sind die Holländer.“ Diese freundliche Äußerung stellte die italienische Wochenzeitschrift „Epoca“ mitten in einen Artikel über den holländischen Katechismus.

Aber zunächst die wichtigsten Tatsachen aus der Geschichte des holländischen Katechismus. Im Oktober 1966 erschien der holländische Katechismus, empfohlen von den niederländischen Bischöfen. Mit Ausnahme einiger Kritik in Detailfragen war

man über, diesen Versuch, den Glauben m-elner ift unseren Tagen verständlichen Sprache darzustellen, sehr froh.

Am 22. November 1966 wurde bekannt, daß eine Gruppe erzkonservativer Holländer ohne Wissen der niederländischen Bischöfe eine Bittschrift an den Papst vorbereitet hatte, die eine Fülle von Vorwürfen gegen den Katechismus enthielt. Rom war gewarnt. Der „Holländische Katechismus“ war zu einem „Fall“ geworden.

Eine Kommission von Experten, deren Zusammensetzung geheim blieb, erstattete dem Papst Bericht; daraufhin fand in Gazzada (Norditalien) ein vertrauliches Gespräch zwischen drei römischen Theologen: E. Dhanis, B. Lemeer und J. Visser und drei holländischen Kollegen: E. Schillebeeckx, P. Schooneberg und W. Bless statt. Das Gespräch war nur informativ und behandelte die „großen und kleinen“ Schwierigkeiten, die Rom an der holländischen Arbeit beanstandete. Man kam zu keiner Entscheidung. Dieses Treffen fand im April 1967 statt. Der Papst ernannte daraufhin eine Kardlnals- kpmmision zur Prüfung des Katechismus. Auch die Zusammensetzung dieser Kommission war geheim. Es ist zwar bekannt, daß die Kardinale eine Gruppe von Theologen zur Erstellung eines Gutachtens einschalteten, die Zusammensetzung der Theologengruppe ist jedoch ebenfalls geheim geblieben. Allerdings weiß man, daß weder unter den Kardinalen noch unter den Theologen ein Holländer war. Noch am 1. August 1967 mußte Kardinal Alfrink aus Utrecht zugeben, nichts aus Rom gehört zu haben und über die Schwierigkeiten nicht benachrichtigt zu sein.

Vorschläge oder Forderungen

Im Herbst erschien die englische Übersetzung des Katechismus; im „Osservatore Romano“ vom 2. 3. November schrieb Kardinal Alfrink, daß diese Übersetzung ohne sein Wissen erschienen sei (man vermutet in Holland zurecht, daß Kardinal Alfrink zu dieser Erklärung veranlaßt worden sei).

Am 4. Jänner 1968 traf in Holland ein 33 Seiten langer Bericht der

Kardinalskommission, der von den Theologen verfaßt war, ein. Im Gefolge dieses Schreibens trafen E. Dhanis und J. Visser aus Rom in den Niederlanden ein, um mit einigen holländischen Theologen die vorgeschlagenen Änderungen zu besprechen. Vom holländischen Episkopat waren für dieses Gespräch Dr. H. Fortmann, Präsident des Seminars Utrecht, und Dr. G. Mulders, einer der Hauptverfasser des Katechismus und Chef der religiösen Sendungen des katholischen Rundfunks, nominiert worden. P. Mulders gab nach ernsthafter Überlegung seinen Auftrag zurück. In einer Radiosendung teilte er mit, daß die Änderungen im Katechismus von der Kardinaiskommission nicht vorgeschlagen, sondern gefordert wurden und die geforderten Änderungen könne er als Theologe (sie entsprachen der römischen Schule der Theologie) und als Katechet (sie standen im Gegensatz zum Ganzen des Katechismus) nie akzeptieren.

Die Besprechung zwischen Doktor H. Fortmann und den beiden römischen Hernan dauerte 14 Tage. Ein Bericht über diese Beratungen wurde den holländischen Bischöfen und anschließend den Verfassern des Katechismus zugeleitet.

Am 30. Mai 1968 wurde bekannt, daß die deutsche Übersetzung des Katechismus erschienen sei. Der Herausgeber Herder in Freiburg hat dazu, es bestand schon vor den Schwierigkeiten eine entsprechende Vereihbairung, den niederländischen Herausgeber Dekker & V. D. Vegt eingeschaltet. Herder hat diese Maßnahme einige Schwierigkeiten mit deutschen Bischöfen eingetragen.

Geheimverhandlungen werden bekannt

Wie gesagt: Die ersten Beratungen zwischen den römischen und holländischen Theologen in Gazzada im April 1967 waren völlig geheim. Über

die Gespräche wurde ein lateinisches Protokoll aufgesetzt. Am 14. Juni berichtete die „Volkskrant“ triumphierend, daß der Verlag Mondadori in Mailand dieses geheime Protokoll in die Hand bekommen habe und ein Weißbuch über den holländischen Katechismus vorbereitet. Wichtige Teile des Rom-Holland- Gespräches über den Katechismus sind dadurch offenbar geworden. Man findet zum Beispiel im Bericht über die Beratung in Gazzada alle Vorwürfe, die man in Rom gegen die holländische Auffassung erhebt. Daraus ist ohne weiteres deutlich erkennbar: es gibt zwei Weisen zu denken, zu theologisieren, die miteinander unversöhnlich sind, weil sie verschiedenen Welten angehören. Man kann daher auch verstehen, daß P. Mulders seinen Auftrag zurückgab; es ist unmöglich, römische Ideen in ein völlig anderes Ganzes einzupflanzen.

Im Juli 1968 erschien die französische Übersetzung des Centurion- Verlages, der den französischen Text ebenfalls schon lange fertig hatte und des Wartens müde m rarnmoX

Zunächst ist aber noch ein Ereig- nis- zu berichten.- Am 19. Juni schrieb P. Schooneberg einen Artikel in der Zeitschrift „De Tijd“. Wie berichtet, war P. Schooneberg einer der Gesprächspartner in Gazzada, und er stand auch in enger Beziehung zur Redaktion des Katechismus. Er zählt zu jenen Theologen, die das neue theologische Denken nach dem Krieg in Holland in Büchern und Artikeln zum Durchbruch brachten, die immer in einem klaren und genauen Stil geschrieben waren. Er ist aber das Gegenteil eines „Revoluzzers“, und deshalb machte seine Auseinandersetzung um so größeren Eindruck. Der Artikel hatte die Überschrift: „Der Konflikt rund um den neuen Katechismus"; darunter: „Geschichte eines gescheiterten Dialoges“. In einer vorzüglich dokumentierten Auseinandersetzung zeigte er die Hintergründe des Konflikts auf.

Das Werk eines Mannes?

Schooneberg zeigt überzeugend, daß man während der gesamten Beratungen über den Katechismus nur von einem Pseudodialog sprechen kann, denn die Holländer, Bischöfe und verantwortliche Verfasser, wurden systematisch aus den Beratungen herausgehalten und bekamen nur römische Forderungen vorgesetzt, die sie in Gehorsam akzeptieren sollten. Schooneberg schreibt dazu: „Dieses Durchsetzen der eigenen Meinung unter dem Schein des Dialogs schien mir auf römischer Seite immer gegenwärtig zu sein, ja immer stärker geworden zu sein.“ Im Hintergrund stand immer P. Dhanis. Er war anwesend bei den Beratungen der Theologengruppe, die den Kardinälen ein Gutachten abgaben. Im Endprotokoll ist seine Hand deutlich erkennbar. Die Kardinalskommission bekam sogar mehr Text, als von den Theologen verfaßt worden war. „Es gibt“, sagt P. Schooneberg, „wohl begründete Zweifel, ob dieses Endprotokoll von allen Theologen akzeptiert oder auch selbst gesehen wurde.“ Endredaktion: P. Dhanis. Als in Holland, wie bereits ausigeführt, die Beratungen zwischen Fortmann, P. Dhanis und P. Visser beendet worden waren, fuhr P. Visser sofort nach Rom zu

rück. P. Dhanis blieb noch 14 Tage in Holland und „produzierte noch einige Ergänzungen" („Volkskrant" vom 7. März 1968). Am Schluß seines Artikels sagte P. Schooneberg, daß sich die peinliche Frage stellt, „ob hier nicht das Werk fast ausschließlich eines Mannes — versehen mit allerlei römischen Billigungen — gegen den holländischen Katechismus wirksam geworden ist“.

Der Artikel P. Schoonebergs hat eine Bedeutung über den holländischen Katechismus hinaus. Er analysiert den römischen Verlauf der Sache und reduziert diesen auf die Manöver eines einzigen Mannes. Wir waren in der Vergangenheit immer tief beeindruckt vom römischen Apparat. Rom war ein eindrucksvolles geschlossenes Ganzes. Nun wird etwas anderes klar: Ein Mann, der den römischen Apparat kennt, kann „dieses Pferd vor seinen Karren spannen“, den Apparat für seine Sache einsetzen und unter der Maske des Heiligen Geistes und der Unfehlbarkeit anderen seine Ansichten auferlegen.

Der Fall des holländischen Katechismus scheint damit die formelle Unordnung der römischen Instanzen bloßgelegt zu haben. Dadurch wurde viel Autorität zerstört.

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