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Ein neues Verständnis vom Amt

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Ein zweiter Antrag stand im Zusammenhang mit „dem fundamentalen Problem der Erneuerung des Amtes“. Man drängte darauf, diesem Gegenstand höchste Priorität zu geben, ihn auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung zu setzen und eine Konzilskommission einzurichten, welche den Auftrag erhalten soll, „sowohl die theologischen als die menschlichen Aspekte dieses Problems zu analysieren und Vorschläge vorzubereiten“, welche Perspektiven für die Zukunft eröffnen“. Darnach nannte man einige konkrete Punkte.

Eine dritte Resolution äußerte die Befürchtung, daß diese Versammlung zu introvertiert zu bleiben drohe, und erinnerte die holländischen Consiliarii an die entsetzlichen Nöte in der Welt, die einer Losung bedürfen.

Aber hauptsächlich wurde von der Autorität in der Kirche gehandelt, besonders auf Grund der schon genannten Vorlagen. Der Bericht Professor Loeffs war Gegenstand schwerer Kritik, obwohl man im allgemeinen die Mentalität und den Geist dieses Berichts in einer neuen Fassung aufrechterhalten wollte. Während der Diskussion brachte Monsignore Moors, Bischof aus Roermond, eine bedeutende Intervention vor — diese Intervention war eine Zusammenfassung der in der Versammlung vorhandenen Kritik, und zugleich eine Illustration der sympathischen Diskussionsebene, auf der jedermann sich befand und wo man zwischen Mitraträgern oder folgsamen Laien nicht unterschied. Aber nur ein ruhiges Studium des Protokolls dieses Kongresses wird zeigen, ob alle Elemente einer Diskussion über die Autorität vorgebracht wurden.

Wir können hier nicht breit auf die Diskussionen eingehen. Nachdem man einen Tag viel geredet hatte, setzte man sich auf Vorschlag des Präsidenten in Gruppen zur Beratung zusammen. In diesen Gruppen wurden Korrekturen der Empfehlungen, welche man am Ende der sogenannten „Hilfeleistungen“ angegeben hatte und welche man den holländischen Katholiken anbieten wollte, angebracht. Nachher kam man wieder in der Plenarversammlung zusammen. Einigkeit bestand darüber, daß der Loeff-Rapport nicht als ein offizielles, von allen angenommenes Konzilsdokument fungieren könnte (die Kommission Loeff hatte dies selbst niemals gewollt). Die Abgeordneten der Bistümer Rotterdam und Den Bosch brachten daher folgenden Antrag vor: Das Material, das dieser Versammlung zur Verfügung stand und von dieser Versammlung selektiert wurde, soll zu neuem Bericht verarbeitet werden. Diese Neufassung wird in der nächsten Versammlung (April dieses Jahres) diskutiert werden. Am besten als erster Punkt der Tagesordnung. Dieser Antrag wurde angenommen.

Einige brisante Empfehlungen

Darnach nahm die Versammlung ein Paket Empfehlungen an, obwohl nicht genügend Zeit zur Verfügung stand, um alle revidierten Empfehlungen zur Abstimmung gelangen zu lassen. Folgende Empfehlungen wurden behandelt:

• Autoritätsträger sollen Experten bei ihrer Amtsführung beiziehen und sollen die Ablehnung eines Rates motivieren.

• Man soll ernsthaft auf die anderen Kirchen hören und sich inspirieren lassen vom Leben und vom Verständnis des Evangeliums in anderen Kirchen; national und in den Bistümern soll man vielerlei Formen des Kontaktes suchen;

• um Planung auf dem Gebiet der Ernennung, Mission, Priesterausbildung, Finanzierung usw. wird inständig gebeten;

• auf den verschiedenen Ebenen der Seelsorge sollen Beratungsorgane geschaffen werden;

• empfohlen wird, bei Bestellung von Autoritätsträgern, dem Rat der bestehenden Beratungsorgane zu entsprechen;

• Autoritätsträger sollen, um einer Entfremdung vorzubeugen, auf informelle Weise Kontakte mit den Gläubigen halten.

Wenn man zurückblickt auf diese freundlichen Tage in einem traurigen Seminar (es gibt nicht nur wenige Auserwählte in Holland, sondern auch wenige Berufene), dann bleibt ein Gefühl des Unbehagens. Trotz des Versuchs, hier zu einer demokratischen Diskussion zu kommen, spürte man die Anwesenheit bestimmter Zensuren. Leider wurden diese Zensuren nicht direkt ausgesprochen, sie kamen auch nicht hervor in heftigen Gegensätzen, und obwohl dadurch dieses Problem nicht gelöst worden wäre, hätte das doch die Luft etwas gereinigt.

Rom — was man damit auch meine — hatte diese Versammlung in einem unerschütterlichen Griff. In seiner Eröffnungsrede hatte Kardinal Alfrink darauf verwiesen, daß die holländischen Bischöfe sich keineswegs gegen Rom stellen. In der Diskussion über Verheiratete im Amte der Kirche sagte Alfrink, daß man, soweit es die Diakone betrifft, über Freiheit verfügte, aber daß, soweit es verheiratete Priester anbelange, keine Kompetenz gegeben sei. Als ob eine lokale Kirche wie die holländische nicht durch interne Diskussionen auf ein solches Experiment vorbereitet sein kann. Manchmal soll eine lokale Kirche in Hinsicht auf die zentralen Instanzen den Mut eines Revolutionärs fassen müssen, um eine Kraft wie die Kirche lebendig und in Bewegung zu halten.

Eine freie holländische Kirche?

Dieselbe Bestürzung fühlte man bei dieser frommen Versammlung in Hinsicht auf die Bischöfe. Glücklicherweise gab es keinen Pomp mehr, es gab sehr freundliche Kontakte, aber es gab auch aufs neue die Eröffnungsrede des Kardinals, worin er in den meist diplomatischen Termini die eigene Verantwortlichkeit der Bischöfe — lies: die relative Inkompetenz der Konzils-

Versammlung — hervorhob. Und die Versammlung schluckte das. Weil šie als Repräsentation der guten Mittelschicht des holländischen Katholizismus nicht über die Waffen verfügte — nötigenfalls die Waffen des Ressentiments —, um ihr gutes Recht zu verteidigen.

Es war für mich enttäuschend, nach dem Abschluß der Versammlung im Fernsehen zu sehen, daß der Interviewer Kardinal Alfrink fragte: Was werden die Bischöfe nun tun? Und daß der Kardinal antwortete, daß er das nicht wüßte. Gab es denn keine Resolutionen? Gab es keine seriöse Empfehlung, endlich etwas für viele fragende Amtsträger zu tun, und Verheirateten einen prie- sterlichen Auftrag zu geben? Und ernsthafte Maßnahmen zu treffen, um das Zölibat vom Amt zu lösen? Ich meine: Arbeit genug. Aber die Antwort des Kardinals erweckte den Eindruck, daß er die Plenarversammlung und ihre Beschlüsse doch nicht beachten würde. Denn das „Gespenst“ Rom geht auch im holländischen Episkopat noch um.

Wenn die nun folgenden Diskussionen an diesem Punkt Fteuer fangen, hat die Versammlung einen Sinn gehabt. Die Bischöfe sind fest im römischen Netz gefangen; die Gläubigen sind beschäftigt, sich zu befreien aus einer völlig altmodischen Autoritätsauffassung in Hinsicht auf die Bischöfe, mit Hilfe des Episkopats. Sie müssen die Bischöfe inspirieren, auch unabhängig von Rom zu operieren.

Ich hoffe, daß der holländische Katholizismus sich nicht zudecken läßt mit Zufriedenheit. Dann kann die nächste Versammlung interessant werden.

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