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Häresie oder Katechismus?

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GLAUBENSVERKÜNDIGUNG FÜR ERWACHSENE. Deutsche Ausgabe des „Holländischen Katechismus“. Verlag Dekker amp; van de Vegi N. V. Niimwegen 1968. Preis S 150.—.

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GLAUBENSVERKÜNDIGUNG FÜR ERWACHSENE. Deutsche Ausgabe des „Holländischen Katechismus“. Verlag Dekker amp; van de Vegi N. V. Niimwegen 1968. Preis S 150.—.

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Nach langem hin und her ist nun endlich jener „niederländische Exportschlager“, der — laut dem Nachrichtenmagazin „Spiegel" — „herzhaft wie Gouda-Käse und hochprozentig wie Generver-Schnaps ist, auch auf dem deutschsprachigen Büchermarkt erhältlich. Paradoxerweise wird diese deutsche Ausgabe von einem holländischen Verlag besorgt und ausgeliefert, was den deutschen Episkopat veranlaßte, von einem „Vertrauensbruch“ des Verlages Herder zu reden. Dieser hatte sich nämlich schon zu Beginn vorigen Jahres die Übersetzungsrechte gesichert und eine Übersetzung anfertigen lassen. Im September wurde sie unter dem Titel „Dokumentation des Holländischen Katechismus in deutscher Sprache“ als Studienausgabe in numerierten Exemplaren an Bischöfe, Theologen und einige Erwachsenenbildner in den deutschen, österreichischen und Schweizer Diözesen verschickt. Eine für den Büchermarkt bestimmte Auflage war infolge der Verweigerung des „Imprimatur“, dessen Handhabung anscheinend heute den abgeschafften „Index“ ersetzen muß, nicht möglich. Die Verwieget uug stand wiederum mit der noch nicht abgeschlossenen Arbeit einer durch den Papst unter Vorsitz von Kardinal Frings eingesetzten Kommission in Zusammenhang, die die von einer Gruppe holländischer Katholiken erhobenen und unter dem Titel „Sieben Hauptsünden des Holländischen Katechismus“ bekanntgewordenen Vorwürfe prüfen sollten. Lang wappnete sich der Freiburger Verlag mit Geduld und vertröstete die Kaufinteressierten via Buchhandel von Monat zu Monat; bis man schließlich sah, daß es auch für das Erscheinen eines solchen Werkes einen „Kairos“ gibt, der nicht versäumt werden darf. So wurde wohl der stehende Satz der „Studienausgabe“ auf einem anderen Papier in Deutschland oder Holland in Druck gegeben, und die Verlags- und auslieferungstechnische Seite vom holländischen Verlag Dekker amp; van de Vegt N. V. übernomme . Damit, war die Schwierigkeit des Imprima-, tur gelöst und auch der deutschsprachige Interessent konnte,- entgegen den Behütungstendenzen des Episkopats, sich mit jenem Versuch der Neuformulierung des Glaubens vertraut machen.

Schon einmal erschien in der Geschichte der Kirche nach einem großen Konzil ein Katechismus, der die im Konzil neu formulierte Glaubenslehre der Gesamtheit der Gläubigen zugänglich machen sollte. Es war der sogenannte „Römische Katechismus“ nach dem Konzil von Trient. So unterschiedlich wie die Kurzbezeichnung, so unterschiedlich ist auch das Schicksal beider Werke. Das eine, unter Autorität und auf Geheiß des Papstes verfaßt und für die Gesamtkirche bestimmt, hatte bestenfalls in Italien und Spanien nachhaltigen Einfluß. Das andere, im Auftrag des Episkopats eines Landes ohne Gutheißung Roms — und für die deutsche Ausgabe wird man fast sagen dürfen gegen die Interessen Roms — verfaßt, findet in der Gesamtkirche Nachfrage und Verbreitung, in einer Weise, wie man es für einen Katechismus kaum noch möglich gehalten hätte.

Aber vielleicht liegt gerade darin der Hauptunterschied: Der „Holländische Katechismus“ ist kein Katechismus im traditionellen Sinn, in dem auf möglichst kurzem Raum prägnant und eindeutig formuliert, die Einzelinhalte der kirchlichen Glaubenslehre, ohne Unterschied der Wichtigkeit und Wertigkeit, aneinandergereiht werden. In diesem Katechismus sind Prinzipien wirksam geworden, die teilweise auch die Arbeit des Konzils kennzeichnen und von denen her die gesamte Glaubensverkündigung neu überdacht werden müßte. Diese Prinzipien, die das Besondere des Werkes ausmachen, sollen kurz skizziert werden.

1. Nicht zu übersehen ist der anthropologische Ansatz des Katechismus. Theologie wird nicht im luftleeren, isolierten Raum getrieben, sondern von der Wirklichkeit des Menschen her. Die Glaubensverkündigung des Katechismus nimmt ihren Ansatz bei der menschlichen Erfahrung, bei alltäglichen Dingen, ja man möchte fast sagen bei Banalitäten. Glaube wird als Interpretation der vorfindlichen Wirklichkeit deutlich, nicht als geschlossenes System von Sätzen und Formeln, das überhaupt keinen verifizierten Außenbezug mehr hat.

2. Damit im Zusammenhang steht die sprachliche Schlichtheit des

Werkes. Es gelingt den Verfassern auch schwierige Sachverhalte in einfacher Sprache auszudrücken, ohne damit die theologische Aussage zu simplifizieren. Deutlich wird dies gerade an den angegriffenen Stellen über die Eucharistie und Transsub- stantiation und in dem ausgezeichneten Abschnitt über die Erlösung. Der Katechismus arbeitet nicht mit „Leerformeln“, die eventuell gewußt, aber in keinem Fall geglaubt werden.

3. Dem widerspricht nicht, daß als weiteres Prinzip das der Wissenschaftlichkeit zu nennen ist, und zwar in zweifacher Hinsicht. Einmal, insoferne die Ergebnisse der „profanen“ Wissenschaften ernst genommen werden, nicht im Sinn apologetischer Gegenüberstellung und Kritik, sondern als Fundament, auf dem die interpretative Funktion der theologischen Aussage deutlich wird. Zum anderen werden auch die Ergebnisse der theologischen Wissenschaft und Forschung, z. B. der historisch-kritischen Exegese, der neueren Dogmatik und der moraltheologischen Diskussion in die Darlegung miteinbezogen.

4. Aus der Wissenschaftlichkeit resultiert ein weiteres« Kennzeichen, das den Katechismus wohltuend von den traditionellen „Laiendogmatiken“ unterscheidet: seine Offenheit. Er ist offen für das Gespräch mit anderen möglichen Interpretationen der Weltwirklichkeit, offen und zurückhaltend , aber auch in der positiven Formulierung von Glaubensaussagen. Nicht selten begegnet man der Feststellung, daß wir in dieser oder jener Frage noch nicht am Ende aller Weisheit sind, daß es hier einen durchaus legitimen Pluralismus theologischer Meinungen gibt, oder einfach auch, daß hier die Grenze des verbindlich Aussagbaren gegeben ist. Dieser Zug ist wohltuend gegenüber einer spekulativen und dabei doch positivistischen „Denzigertheologie“, die meint, ihre Aussagen im Bereiche voran treiben zu können, die sich einer exakten sprachlichen Formulierung entziehen, weil es Widerfahrnisse an den Randzonen der menschlichen Erfahrung sind.

5. Als weiteres Prinzip wäre noch das Ethisch-humane zu nennen. Der aktive Einsatz der Christen zu immer größerer Humanisierung der Lebensbedingungen ist eine Forderung, die als Hauptforderung christlicher Existenz verstanden wird. Der Blick auf den transzendenten Grund des christlichen Ethos geht dabei nicht verloren. Gerade im letzten Abschnitt über die Vollendung gelingt die Verbindung zwischen einer Blickrichtung auf Gott und dem Engagement für die Welt in beispielhafter Weise.

6. Der Aufbau dės Katechismus selbst muß als ein neues Gestaltungsprinzip genannt werden. Ausgehend von der Frage des Menschen wird die geschichtliche Struktur der Offenbarung zum Aufbauprinzip gemacht.

Im vorliegenden Modell einer „Glaubensverkündigung für Erwachsene“ tun sich neue Möglichkeiten des Glaubensvollzuges für den Menschen der Gegenwart auf. Glaube ist nicht ein „Für-wahr- Halten“ einzelner, bestimmter und unabänderlicher Sätze, sondern der Versuch einer umfassenden Interpretation und Sinngebung der Wirklichkeit. Denn der „mündige Christ“, den dieser Katechismus voraussetzt und bildet, ist nicht jener, der gelernte Formeln ständig reproduziert, sondern der, der die Wirklichkeit seines Lebens, im Blick auf die im Alten und Neuen Testament verdichtete Geschichte und offen für mögliche Veränderungen der Zukunft, sinngebend zu interpretieren vermag. Diese Art Glaubender zu sein und zu werden ist, wenn man so will, das „Lehrziel“ dieses Buches, sehr gut ausgedrückt durch den Verweis unter dem Stichwort „Glaubender“ im Sachverzeichnis. Da heißt es einfach: „siehe dieses ganze Buch“, ein Wort, das jedem interessierten Christen als Rat gegeben werden kann.

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