Karl Marx: Erinnerung und Farce
Marx-Biografen übersehen, dass seine Grundanschauung offenbar von der Durchdringung und Ablösung sozioökonomischer Formationen durch den täglichen Anblick der Porta Nigra geprägt war.
Marx-Biografen übersehen, dass seine Grundanschauung offenbar von der Durchdringung und Ablösung sozioökonomischer Formationen durch den täglichen Anblick der Porta Nigra geprägt war.
Karl Marx, geboren am 5. Mai 1818, war ein Mann mit widersprüchlichen Eigenschaften. Das "Lexikon A bis Z" der DDR definiert ihn in paradoxer Antizipation als "Klassiker des Marxismus-Leninismus". Wikipedia listet auf: "deutscher Philosoph und Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung, Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion". Friedrich Engels ergänzte 1883 am Grab des Freundes: "Marx war vor allem Revolutionär. Das war sein höchster Lebensberuf." Marx: Visionär einer herrschafts-und ausbeutungsfreien Gesellschaft, als unfehlbarer Klassiker kanonisiert (Lenin: "Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist") und monumental bedenkmalt, schuldig gesprochen für Verbrechen in seinem Namen, verboten, vergessen und totgesagt, dennoch im permanenten Diskurs globaler Umwälzungen wiederentdeckt
Würdigung und Vermarktung
Die Geburtsstadt Trier tastet sich an Würdigung und Vermarktung ihres umstrittenen Sohnes heran. Im stattlichen Geburtshaus (Brückenstraße 10) wohnte die Familie Marx zur Miete, 1819 wurde das einfachere Haus Simeonstraße 8, gegenüber der Porta Nigra, gekauft. Der Vater zählte als erfolgreicher Jurist zu den Honoratioren der Stadt. Die Porta Nigra entstand noch unter Marc Aurel, das antike Trier vollendete sich mit der Triumpharchitektur des ersten christlichen Kaisers Konstantin, mit Brücke, Thermen, Amphitheater, zum Dom umgebautem Palast, Basilika. Trier war als Erzbistum und Kurfürstentum geprägt von Stiften und Kirchen, die großenteils der Säkularisation der Französischen Revolution zum Opfer fielen. Der Code Napoléon blieb jedoch maßgebend auch unter der nachfolgenden preußischen Administration. Nebenbei: Napoleon, den Marx im Gegensatz zum Neffen Louis Bonaparte den Großen nannte, starb am 5. Mai 1821. Ohne Aufsehen trat Vater Marx nach 1815 zum Protestantismus über, die Kinder folgten einige Jahre später; die rabbinischen Vorfahren mit den Namen Lemberg und Preßburg schienen vergessen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!