6625981-1956_08_14.jpg
Digital In Arbeit

Flugbericht Mentor B 45

Werbung
Werbung
Werbung

Fliegen ist fast in jedem Fall ein Erlebnis. Selbstverständlich kommt es hierbei darauf an, womit bzw. was man fliegt. Bei Verkehrsmaschinen wird dieses Erlebnis des Fliegens selbstverständlich weit weniger stark sein als etwa bei einer vollkunstflugtauglichen, kleinen Maschine, denn bei ersterer ist man bestrebt, einen möglichst gleichförmigen, den Passagier so wenig als möglich belastenden Flug zu erreichen. Nur' die Kunstflugmaschine vermittelt deshalb das Gefühl der absolut freien Bewegung in drei Dimensionen, denn der Eindruck des Fliegens wird eigentlich nicht so sehr durch die Tatsache der Vogelperspektive als vielmehr durch die auftretenden Reaktionskräfte vermittelt, wie sie vor allen Dingen in den verschie-

Schiebedach ausgestatteten Kanzel, sind beide voll instrumentiert und weisen alle zum Flugbetrieb erforderlichen sonstigen Anlagen auf. Die Maschine läßt sich demnach von beiden Sitzen aus fliegen.

Der Antrieb dieses Ganznietalltiefdeckers mit leicht v-förmig angestellten Tragflächen erfolgt durch einen Sechszylinder-Continental-Boxer-motor mit einer Leistung von 225 PS. Die Mentor B45 besitzt ein einziehbares Bugradfahrwerk und eine Verstell-Luftschraube. Sobald man sich in dieses von der Beech Aircraft Corporation in Wichita, Kansas, hergestellte Flugzeug setzt, hat man sofort den Findruck, es hier mit einer Konstruktion von besonderen Qualitäten zu tun zu haben. Dieser visuelle Eindruck ist, wie sich später herausstellt, in keiner Weise irreführend.

Ein kurzer Druck auf den Starter und die Maschine springt sauber an, läuft warm und kann, nachdem sie über die Magneten gelaufen ist (Lieberprüfung der Zündsysteme) zur Startbahn gerollt werden. Es ist auffallend, wie wendig und angenehm sie zu rollen ist und mit welch hohen Geschwindigkeiten sie zur Startbahn gebracht werden kann, welchem Umstände bei den großen Ausdehnungen heutiger Flugplätze immerhin Bedeutung zukommt. Am Startplatz angekommen, wird die Mentor B45 mit den Hauptfahrwerksbremsen gebremst, der Motor auf volle Drehzahl gebracht, die Bremsen gelöst und der in Startstellung befindliche Propeller zieht die Maschine mit beachtlicher Beschleunigung weg. Ein kleiner Zug am Steuerknüppel und das Bugrad hebt vom Rollfeld ab. Kurz darauf ist auch das Hauptfahrwerk vom Boden frei. Genau gesagt benötigt die Mentor zum Abheben über ein Hindernis von 15 m eine Strecke von 365 m. Bei ungefähr 100 km/h, einer Geschwindigkeit, bei der die Maschine vom Boden abhebt, werden die Landeklappen, die sich in Startstellung befinden, sowie das Fahrwerk elektrisch eingezogen. Die Steigleistung beträgt in Bodennähe 6 m/sec. Kaum ist die Maschine in der Luft, spürt man auch ^chon, daß sie sich in ihrem eigentlichen Element befindet. Sie reagiert auf kleinste Steuerbewegungen vollkommen präzise. Der Kontakt zu diesem Flugzeug ist sofort hergestellt, und obwohl sie theoretisch nicht mehr kann als andere kunstflugtaugliche Maschinen, ist hier entscheidend, wie sie es kann, was nicht ganz leicht zu definieren ist.

Bei der Sammlung der ersten Eindrücke haben wir bereits eine Höhe von rund 1000 m gewonnen. Ein leichter Druck auf den Steuerknüppel bringt die Maschine in einen Bahnneigungsflug und sie gewinnt an Geschwindigkeit. Das Tachometer geht bis zur Marke 300 km/h, jedoch ist die zugelassene Höchstgeschwindigkeit mit 420 km/h angegeben., Die Nadel des Geschwindigkeitsmessers geht daher über die 300 km/h und gelangt wiederum auf die 100-km/h-Marke, wonach wir um rund 400 km/h fliegen. Nach einem kurzen Zug am Steuerknüppel — es ist nicht einmal viel Kraft erforderlich — schießt die Maschine geradezu nach oben. Die Beschleunigungskräfte, die hier auftreten, liegen bei 4 bis 5,5 g, demnach beträgt das Körpergewicht nunmehr das Vier- und Fünffache. Es zieht einem die Gesichtshaut bereits merklich nach unten und das Heben eines Armes wird zur Schwerarbeit. Während dies noch wirksam ist, bewirkt ein Drücken des Steuerknüppels bald das entgegengesetzte Gefühl. Nur die Gurten, mit denen man an das Flugzeug festgeschnallt ist, verhindern ein Herausfliegen aus der Maschine, denn die Plexiglas-Schiebefenster würden hier keinen sonderlichen Widerstand entgegensetzen.Jetzt wird zu einer Steilkurve nach links angesetzt. Die Maschine stellt sich auf die linke Tragfläche, die sich nun fast senkrecht zur Erde befindet. Wiederum treten bis zu zirka 5,5 g auf. Das Seitenruder ist zur Steuerung der Maschine nicht mehr zu verwenden, da seine ursprüngliche Lage nun das Höhenruder einnimmt. Diese Steilkurve wird also vor allen Dingen mit dem Höhenruder geflogen. Nach einem Handgriff dreht sich die Maschine um ihre Mittelachse zu einer ebensolchen Steilkurve nach rechts.

All diese Aktionen, die an sich eigentlich als ungemütlich empfunden werden müßten, da sie eine ziemliche körperliche Beanspruchung darstellen, verlieren vor dem einmaligen Flugerlebnis, das diese Maschine vermittelt, ihre Bedeutung. Diese hervorragenden Flugeigenschaften sind es aber auch, die die Mentor B45 zu einem der meistgeflogenen Militärschulflugzeuge machen. Hier wird den angehenden Militärfliegern nicht nur Fliegen gelehrt, sondern auch die dabei auftretenden Beanspruchungen vermittelt, da die Maschine bis zu 6 g ohne jegliche Gefahr ■ belastbar ist, während die Bruchgrenze von der Firma mit 9 g angegeben wird.

Wir wollten die Mentor aber auch bei Lieberziehen kennenlernen. Sie wurde zu diesem Zweck mit Gas in einem Winkel von 45 Grad aufgerichtet. Bei rund 110 km/h stellte sich das bei Abreißen der Strömung an den Tragflächen auftretende Leitwerkschütteln ein, wobei die Maschine langsam über den Motor nach vorn durchsackte, gleichzeitig aber dazu tendierte, über den rechten Flügel abzurutschen. Die Ursache hierfür ist in dem Gegendrehmoment des linkslaufenden Motors zu suchen. Bei Ueber-ziehen ohne Gas fällt das Abrutschen über den rechten Flügel weg, da das Gegendrehmoment des Motors entsprechend klein ist.

Beim Landen werden die Landeklappen bei einer Geschwindigkeit von 180 km/h'elektrisch ausgefahren, bei 170 km/h das Fahrgestell. Die Anschwebegeschwindigkeit beträgt 140 km/h, während die Landegeschwindigkeit etwa 100 km/h beträgt. Erwähnenswert erscheint die Tatsache, daß die Maschine sehr weich aufsetzt, da sich die großen Ballonreifen, erstklassige Stoßdämpfung und Federungseigenschaften des Fahrgestells weitestgehend stoßvermindernd auswirken. Die Landestrecke beträgt über ein Hindernis von 15 m Höhe nicht mehr als 290 m, während die Ausrollstrecke an sich nur 125 m ausmacht. Die Verzögerung durch die einzeln zu bremsenden Hauptfahrwerksräder ist sehr gut.

Die Mentor B45 ist ein ausgesprochen hochentwickeltes Flugzeug, das berechtigterweise in der ganzen Welt für Schulungszwecke heran-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung