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Die Hintergründe der letzten Flugzeugabstürze

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Innerhalb der letzten Wochen ereigneten sich in Oesterreich vier schwere Flugzeugunfälle mit Sportflugzeugen, und zwar zwei Segel- und zwei Motorflugzeugen, die insgesamt zehn Tote bei totalem Maschinenschaden forderten. Wie eine Untersuchung dieser Unfälle ergab, sind sie nicht auf Maschinendefekte zurückzuführen, sondern wurden ausschließlich durch Bedienungsfehler hervorgerufen. Dies heißt also, daß alle Abstürze zu vermeiden gewesen wären. Wir wollen hoffen, daß aus dieser Erkenntnis die entsprechenden Lehren für die Zukunft gezogen werden. Fliegen erfordert noch mehr Verantwortungsbewußtsein und Achtsamkeit als der Verkehr auf der Straße. Außerdem ist die Versuchung groß, beim Fliegen mehr zu riskieren, als man sich selbst oder der Maschine zutrauen darf.

Begonnen hat die Unfallserie der letzten Zeit mit dem Absturz d- in Innsbruck stationierten Norecrin II. Das Untersuchungsergebnis kann heute als abgeschlossen betrachtet werden und zeigt einwandfrei, daß es sich beim Unfall weder um Materialschäden noch um Konstruktionsfehler an der Maschine, sondern ausschließlich um Ueberbeanspruchung infolge allzu waghalsigen Fliegens gehandelt hat. Das traurige Ergebnis waren vier Tote... Dabei muß noch von Glück gesprochen werden, daß durch die abstürzende Maschine nicht eine Reihe weiterer Personen zu Schaden kam.

Ein anderer Unfall wurde mit einem zweisitzigen Segelflugzeug der Type Gö 4 verursacht. Die Maschine stürzte kurz nach dem Windenstart ab. Wie man vermutet, könnte die Lirsache dieses Sturzes darin zu suchen sein, daß der mitfliegende Passagier, der anscheinend schlecht oder überhaupt nicht angeschnallt war, durch irgendeine Ungeschicklichkeit, bei der die Steuerung der Maschine blockiert wurde, den Unfall verursacht hat. Die Maschine war nämlich mit Doppelsteuerung ausgestattet, die, obwohl der Passagier flugunerfahren war, nicht entfernt, worden war. Der Pilot selbst war ein erfahrener Kriegsflieger. Es wäre nach diesem Vorfall dringend anzuraten, daß bei Mitnahme von flugunerfahrenen Passagieren die in Reichweite von ihm befindliche zweite Steuerung entfernt wird. — Auch hier gab es zwei Tote.

Der zweite Unfall der gleichen Art ereignete sich mit einem von dem erfahrenen Segelflieger Dr. John geflogenen Segelflugzeug. Dr. John sollte einen bereits ausgebildeten Segelflieger auf die zweisitzige Mg 19 einweisen. Der Unfall geschah dadurch, daß die Maschine zuviel an Fahrt verlor und in einer Steilspirale seitlich abrutschte. Hier hätte Dr. lohn rechtzeitig eingreifen müssen, um der Maschine wieder entsprechende Fahrt zu vermitteln. Warum dies nicht erfolgte, ist unbekannt. Auch dieser Unfall wäre zu vermeiden gewesen.

Aber auch das Flugzeugunglück am Packstausee, bei dem ein Bückei-Doppeldecker der Grazer Fliegerschule in die Staumauer flog, war dem Anschein nach auf Leichtsinnigkeit des Piloten zurückzuführen. Vermutlich, um die Aufmerksamkeit von in der Nähe des Sees befindlichen Bekannten auf sich zu lenken, flog der Pilot, der Sohn eines bekannten Industriellen, zu tief über den See, konnte dain die Maschine nicht mehr im richtigen Augenblick hochnehmen und flog in die“ Böschung. Möglicherweise ist der illnfall aber darauf zurückzuführen, daß der ebenfalls flugunerfahrene Passagier das Doppelsteuer, das auch hier nicht ausgebaut worden war, in verhängnisvoller Weise behinderte. Ein solches Flugmanöver ist für einen unerfahrenen Flugpassagier nicht gerade angenehm, und es wäre durchaus möglich, daß er in unvorhergesehener Weise darauf reagierte.

In der Fliegerei muß auf jede Kleinigkeit geachtet werden, um schwere Unfälle zu verhindern. Gerade in Oesterreich, wo mit der Fliegerei fast von vorne begonnen werden muß, sind solche Ereignisse ungünstig, da sie das gesamte Fliegen in Mißkredit bringen, wodurch dieser in Aufbau begriffene modernste Verkehrszweig noch mehr Schwierigkeiten zu überwinden haben wird als bisher.

Innerhalb des gleichen Zeitraumes fanden die Internationalen Segelflug-Weltmeisterschaften in St-Yan in Frankreich statt, zu denen Oesterreich eine Mannschaft mit zwei einsitzigen Mg 23 sowie einer zweisitzigen Mg 19 c entsandte. Die Maschinen wiesen internationale Qualität auf und wurden auch von ausländischen Teilnehmern gewürdigt. Dennoch konnte sich Oesterreich nicht an die Spitze setzen. Wir sind jedoch heute schon davon überzeugt, daß bei einem Ausbau der Trainingsmöglichkeiten die Ergebnisse verbessert werden können.

Als ein beachtliches Ereignis muß der Probeflug des ersten in Oesterreich hergestellten Motorflugzeuges OK 15 bezeichnet werden. Wenn heute noch kleinere Verbesserungen erforderlich sind, so war dies nicht anders zu erwarten, denn es gibt kein technisches Gerät oder Verkehrsmittel, das vom Konstruktionsbrett weg voll brauchbar wäre. Feststeht jedenfalls, daß die OK 15 ein ansprechendes, sehr praktisches und vor allen Dingen billiges zweisitziges Flugzeug darstellt, das für eine Reihe von Verwendungszwecken gedacht ist und nach Abschluß der Versuche dafür auch geeignet sein wird. Sie soll Verwendung finden für Schulung, Sport usw. Wie wir erfahren, dürfte der Kaufpreis der Maschine später zwischen 120.000 bis 150.000 Schilling liegen, wodurch sie unter Umständen ein gutes Exportgeschäft werden kann. Das „Oesterreichische Flugzeugwerk“, in dem die OK 15 gebaut wird, ist nunmehr dabei, die aus dem Probeflug gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten. Sobald die Maschine verkaufsreif ist, werden wir an dieser Stelle einen ausführlichen Bericht bringen. Der Antrieb erfolgt durch einen tschechischen Motokov-Motor, der eine Leistung von 105 PS abgibt.

Auf dem Schwechater Flugplatz befinden sich seit kurzer Zeit zwei englische Vampire-Düsenjäger, die vor einigen Tagen Vertretern des Verteidigungsministeriums probeweise vorgeflogen wurden. Die Reaktion war denkbar gut und die Maschine fand großes Interesse, was jedoch noch nicht bedeuten muß, daß sie deshalb später wirklich angeschafft wird. Der Anfang wurde jedoch gemacht. Für welche Type oder welches Fabrikat man sich entschließen wird, hängt nicht allein von den Flugeigenschaften, der Einsatzmöglichkeit und dem Baujahr der Modelle ab, sondern auch von den finanziellen Mitteln, die zur Verfügung stehen.

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