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CARGO

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Wie eine Zukunftsvision mutet der 1967 fertiggestellte Lastflughafen, das Cargo- Zentrum der Alitalia, in Rom auf dem Gelände des Flughafens „Leonardo da Vinci” in Fiumincino an. Wagen mit schweren Lasten beladen, gleiten durch die weiträumige Halle, Frachten, soeben mittels automatischer Aufzüge aus einer Supermaschine des Typs DC 8 aus New York entladen, laufen über ein Fließband ganz von selbst zu jenem Stapel, für den sie entweder zum Weiterflug oder für die Ausladung in Rom bestimmt sind.

Andere Lasten werden mit den schon zitierten Wägelchen quer durch die Halle zu einem turmhohen Depot geführt, wo sie dann vollautomatisch auf den richtigen Depotplatz geführt werden. Das ganze geht dazu noch fast geräuschlos vor sich, nur manchmal vom blechernen Klirren der Wägen unterbrochen. Das neue „Cargo-Zentrum” in Rom zeigt, wie weit sich bereits der Frachtverkehr auch die Luft erobert hat.

Eine amerikanische Firma, die Dortech Ltd., hat mit ihren Ingenieurberatern diese spezifisch für Rom auf gebaute Anlage errichtet.

Das Herz der Anlage ist ein zirka 20 Meter hohes vertikales Lagersystem, in dem Frachtgüter durch einen vollautomatischen Kran, ohne daß sie aus den kleinen Wagen aus- geladen werden müssen, in ihr Depot gebracht werden und dort warten, bis sie weitertransportiert oder ausgeladen werden. Diese kleinen Wagen bewegen die Fracht von einem Teil des Cargo-Zentrums entweder vom Ausladen aus dem Flugzeug oder aus dem Lkw zum anderen, dem Depot. Ein unterirdisches System von bugsierenden Ketten sorgt dafür, daß die Wagen ständig in Bewegung sein können. Ein elektronischer Kontrollkomplex weist die Fracht zur richtigen Lagerstelle ein und holt sie aus dem Depot heraus, wenn sie gebraucht wird. Das ganze System des Depots der Vollautomatik fußt eigentlich auf dem Computersystem. So ist es selbstverständlich, daß auch die Frachtbriefe mit Lochkarten gebucht werden.

Auf diesen Lochkarten, die die Frachtpapiere ersetzen, werden die Nummern des Ankunftsfluges, des Depots, die Art des Frachtgutes, die Lagerfähigkeit und schließlich auch der Weitertransport genauestens vermerkt, menschliche Denkfehler und Irrtümer sind damit praktisch ausgeschlossen, denn in Hinkuft wird in dem modernen Zentrum in Rom jede Eigenart einer Fracht auf der Lochkarte festgehalten sein, Ob es sich um Geschenke eines nach Amerika ausgewanderten Italieners an seine Daheimgebliebenen handelt oder um den Leichnam eines im Ausland Verstorbenen, der nunmehr in der Heimaterde bestattet werden soll.

Der italienische Film „Die Leiche ist im falschen Koffer” wird damit in Fiumincino zum eklatanten Widerspruch, denn sowohl die Computerbehandlung für die Frachtpapiere wie die vollautomatische Lagerung in einer für derartige makabre Frachten eigenen Kühlkammer sorgen dafür, daß auch die sterblichen Überreste an die richtige Adresse kommen.

Makaber mutet es aber auch an, wenn im selben Trakt des Lastflughafens unmittelbar neben dem Leichenkühlhaus ein strahlensicherer Raum für radioaktives Material, das per Flugzeug nach Rom gebracht oder von Rom weggeschafft werden soll, eingelagert ist. Unglücksfälle mit derartig gefährlichen Gütern sind dabei praktisch ausgeschlossen, denn im strahlensicheren Raum schaltet sich vollautomatisch, wenn Gefahr eintritt, eine Wasserkühlungsanlage ein. Wenn Wasser nicht mehr genügt, kommen stärkere Mittel: Das radioaktive Material wird innerhalb weniger Sekunden im Notfall von Zement übergossen und so unschädlich gemacht. Aber auch weniger gefährliche Lasten werden vollautomatisch entladen und auf ihren Platz gebracht. Mittels großer Kranwagen kommen mit den Frachtflügen auch Automobile aus Übersee, vor allem auch von Italienern, die ihren Urlaub zum Beispiel in Nordafrika verbracht haben, an. Auch sie registriert man sofort auf Lochkarten, bis sie von ihrem Besitzer, der inzwischen mit der Personenmaschine angekommen ist, abgeholt werden.

Zu den Haupttransportgütern, die auf diesem vollautomatischen Flughafen ankommen, zählen auch leicht verderbliche Waren, wie Fleisch, Früchte und dergleichen. Diese werden ebenfalls innerhalb kürzester Zeit vom Flugzeug in eigene Kühlhäuser und Behälter transportiert. Wehn Sie aber per Flugfracht Ihre Goldbarren nach Rom senden wollen, so sind diese bis zum Abholen sicher wie bei einer Bank, sie werden in einem eigenen Tresor, in den sie ebenfalls automatisch gelangen, aufgehoben.

Hauptsächlich wurde dieser Cargo- Flughafen mit seinen großen Depots aber nicht dafür geschaffen, Lasten, die von Rom und nach Rom gelangen, aufzubewahren, sondern um den Transitverkehr entsprechend zu erleichtern. Denn Rom ist auf dem Frachtsektor geradezu ein Knotenpunkt zwischen Amerika und Mittelund Nordeuropa einerseits und Asien und Afrika anderseits. Rom ist aber auch für Italien, was den Luftfrachtverkehr betrifft, Einzugsund Auslieferungszentrum Nr. 1. Denn von hier werden von Neapel bis Florenz und nach Osten bis Ancona und Pescara hin jene Güter verladen bzw. entladen, die dort in den Häfen über das Meer eingelangt sind.

Die ganze Durchplanung der Ausstattung des neuen Cargo-Flughafens in Rom stellt nicht nur die modernste Anlage in Europa dar, sie wird auch, so meint man in Rom, für die nächsten zehn Jahre das modernste System auf diesem Sektor bleiben.

Daß eine solche Anlage überhaupt notwendig war, geht aus der enormen Entwicklung des Frachtluftverkehrs in den letzten zwölf Jahren hervor. Von 92 Tonnen, die die italienische Fluggesellschaft im Jahre 1955 beförderte, wuchs der Frachtverkehr auf 52.000 Tonnen im Jahre 1967. Für die Zukunft aber läßt sich sogar noch ein stärkeres Wachstum erwarten. So werden heute schon mit Passagiermaschinen, wenn Platz ist, kleinere, weniger sperrige Güter befördert, und die Frachtflotte aller Fluggesellschaften — aber der Alitalia im besonderen — wächst ständig. Derzeit laufen bei der italienischen Linie zwei große DC-8- Maschinen für Frachtflüge, drei weitere sollen bis 1969 hinzukommen, zwei DC 9 besorgen die Frachtflüge im europäischen und nordafrikanischen Gebiet, und auch einige klei nere Maschinentypen sind noch laufend eingesetzt. Die Zahl mag relativ klein sein, aber innerhalb von 24 Stunden kann durch eine solche moderne .Anlage, wie sie der Cargo- Flughafen Rom bietet, eine Maschine so schnell geladen werden, daß die Strecke Rom—Mailand—New York und zurück innerhalb 24 Stunden bewältigt wird.

Der Umsatz wird noch größer werden, denn wenn die neuen Riesenjets im Jahre 1970 oder 1971 eingesetzt sind, wird man die Strecke Rom—New York in drei Stunden zurücklegen können. Das bedeutet, daß praktisch zumindestens zwei Routen Rom—New York—Rom pro Tag geflogen werden können.

Hat sich die Zahl der Passagiere in den letzten Jahren seit 1959 allein bei der italienischen Luftlinie zirka vervierfacht, so hat die Luftfracht etwa um das Fünfzehnfache zugenommen. Diese Zahlen werden als Rechtfertigung des neuen Cargo- Flughafens bereitwillig zur Verfügung gestellt, aber wer allein die Nachtpostflüge, die von Rom abgehen, sieht, bedarf einer solchen Darstellung nicht mehr.

Daß es aber nicht nur ein Versprechen bleibt, daß Roms Frachtflughafen der modernste für die nächsten zehn Jahre ist, dafür sorgt man schon jetzt in der Organisation. Denn bereits anläßlich unseres Besuches in Rom konnten wir feststellen, daß die Laderampen für die „Jumbo”-Jets, die Riesenboeings der Zukunft, ausgebaut werden. Die Lageranlage wird auf 400.000 Kubikmeter umbauten Raumes erweitert werden. Die Vorbereitungszeit, die derzeit für eine solche Riesenmaschine bei 20 Stunden liegen würde, soll durch weitere Automatisierung herabgemindert werden. Denn die Konkurrenz im Ausland wächst. Air France plant bereits in der Nähe von Paris einen Frachtflughafen mit ähnlichen Dimensionen, Frankfurt und London sind ebenfalls nicht untätig. Ja sogar Wien hat bereits den römischen Flughafen studiert — ein Ingenieur der Wiener Flughafenbetriebsgesellschaft hielt sich vor wenigen Wochen zu Studienzwecken in Rom auf.

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