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Digital In Arbeit

Werkzeug in Gefahrl

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Das Werkzeug, von der automatischen Maschine bis herunter zu Hammer und Schraubenschlüssel, ist, wenn man vom rein Geistigen absieht, das wertvollste Erbteil, das — bildlich gesprochen — eine Generation der nächsten übergibt: es ist die kristallisierte Arbeit unserer Väter, deren wir uns bedienen, um uns selbst die Arbeit zu erleichtern. Dabei ist es ganz einerlei, ob es sich um einfaches Handwerkzeug oder um gigantische Walzwerke handelt: in beiden Fällen haben Generationen gespart und auf manches verzichtet damit die Produktion leichter, ergiebiger und billiger werde.

Im Detail ist natürlich das Bild nicht ganz 6o einfach: das Werkzeug, das der Großvater vielleicht statt eines Anzuges oder vieler Wirtshausbesuche kaufte, hat inzwischen ausgedient; der Kreissäge und der Bohrmaschine des Sohnes sieht man nicht an, daß in ihnen der Fuchsschwanz und die Brustleier des Vaters steckt. Am wenigsten denkt man bei den technischen Wunderwerken, die in den modernen Industriebetrieben weitgehend die Rolle der mühseligen Handarbeit übernommen haben, daran, daß Generationen gespart und sich manchen Genuß versagt haben, damit das Werkzeug immer vollkommener werden konnte, und daß wir noch heute auf Hammer und Drillbohrer beschränkt wären, hätten die Generationen vor uns ihr ganzes Einkommen dem Konsum gewidmet, anstatt Stück um Stück jenes Arsenal von Werkzeugen zu schaffen, ohne das die heutige Produktion und damit der heutige Lebensstandard undenkbar wäre.

In dem Werkzeug, das uns so viel Schweiß erspart, steckt — das sollten wir niemals vergessen — der Schweiß unserer Väter und Großväter, und wir hätten allen Grund, das Werkzeug fast mit Ehrfurcht zur Hand zu nehmen. In unserem Werkzeug liegt aber auch eine große Verpflichtung: die Verpflichtung, das Erbe unserer Väter zu erhalten und in vermehrter und verbesserter Form an folgende Generationen weiterzugeben.

In Zeiten wie den jetzigen, wo vor allem die Lücken geschlossen werden müssen, die der Krieg in unseren Produktionsapparat und damit auch in unseren Werkzeugbestand gerissen hat, fällt es doppelt schwer, altes Werkzeug durch neues zu ersetzen, denn wie die Generationen vor uns können auch wir Werkzeug nur dann herstellen, wenn wir auf die Herstellung eines Teiles jener Güter verzichten, die man direkt konsumieren kann. Um so sorgfältiger sollten wir aber darauf achten, daß das vorhandene Werkzeug möglichst lange seinen Dienst versieht, und das kann es nur, wenn es so gepflegt wird, wie wir dies dem Werkzeug als wichtigstem Behelf zur Erleichterung unserer Arbeit schuldig sind.

Die Zeit, wo der Arbeiter in der Maschine sein« Feindin sah, weil sie ihn brotlos zu machen drohte, ist glücklicherweise vorbei. Heute und wohl noch auf viele Jahre hinaus können wir gar nicht soviel produzieren, daß auch nur die wichtigsten Bedürfnasse der gesamten Bevölkerung befriedigt werden können. Auch der Arbeiter hat daher längst erkannt, daß die Maschine oder ganz allgemein das Werkzeug nicht sein Feind, sondern sein wichtigster Helfer ist, der ihm die schwerste und unangenehmste Arbeit abnimmt und ihm jene Leistung ermöglicht, die auf einen anständigen Lohn Anspruch erheben darf. Es liegt daher gerade im Interesse des Arbeiters, der Werkzeugpflege mehr Aufmerksamkeit als bisher zu schenken, denn jedes vor der Zeit gebrochene Werkzeug,-das ersetzt werden muß, zwingt uns dazu, statt Irgendeines Konsumgutes ein neues Werkzeug zu erzeugen, und verzögert die Erreichung eines auskömmlichen Lebensstandard«.

Da» Werkzeug hat vor allem xw«j Feinde, gegen die ihm der Mens* beistehen muß: den Rost und die Reibung, die bei mangelhafter Schmierung zu vorzeitigem Verschleiß führt.

Muß man wirklich daran erinnern, daß Vorbeugen besser als Heilen ist? Eine gut eingerichtete Reparaturwerkstätte oder eine Evidenzkartei von spezialisierten außerbetrieblichen Handwerkern, die im Notfall schnell zur Stelle sind, mag Wunder wirken und eine Katastrophe vermeiden — aber besser ist es wohl, das Risiko einer solchen Katastrophe, die ja zu einer solchen im wahren Sinn des Wortes werden kann, weil Werkzeugbrueh und Maschinenschaden auch Leben und Gesundheit der Arbeiter bedrohen, gar nicht erst auf sich zu nehmen und ihr systematisch vorzubeugen.

Die richtige Pflege, der Werkzeuge allein, *o wünschenswert es auch wäre, wenn wenigstens dagegen nicht mehr gesündigt würde, tut es aber nicht, denn auch das sorgfältig vor Rost geschützte Werkzeug und die stets einwandfrei geschmierte Maschine unterliegen einer natürlichen Abnützung. Dennoch braucht das Versagen der Maschine oder der Bruch des Werkzeuges nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel zu kommen. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Maschine, eines Maschinenteiles oder eines Werkzeuges ist ja dem Fachmann näherungsweise bekannt und unter Berücksichtigung der Nutzungsintensität ziemlich verläßlich abzuschätzen. Außerdem gibt es ja an fast jedem Werkzeug und an den meisten Maschinen Symptome, die auf ein baldiges Versagen schließen lassen, sei es ein ungewohntes Geräusch, ein erster Haarriß oder eine bedenkliche Dünne des Materials an einer dem Verschleiß besonders ausgesetzten' Stelle. Man weiß also, daß diese oder jene Maschine in Kürze »fällig' wird, und kann daher rechtzeitig für Ersatz sorgen. Man wird es aber dann auch nicht auf den kritischen Moment ankommen lassen und z. B. den von einem Haarriß bedrohten Teil schon bei der nächsten kurzen Pro-duktionspause auswechseln.

Die heute so oft feststellbare mangelhafte Betreuung des Werkzeuges liegt nicht immer am Arbeiter. In der Regel wird dieser über die Bedeutung der Werkzeugpflege nicht richtig aufgeklärt, oder es bewirkt ein falsch erstelltes Akkord-

«ystem, daß auch eine bereits schadhafte Maschine bis zum letzten Moment weiterbenützt wird. Vielleicht würde es sidi empfehlen, den Arbeiter durch Prämien dazu zu erziehen, auf Anzeichen von Schäden an der von ihm bedienten Maschine besser zu achten und sie sofort zu melden; solche Prämien wären vor allem dann gerechtfertigt, wenn es dank der rechtzeitigen Meldung gelingt, die Reparatur- bzw. Ersatzteilkosten wesentlich niedriger zu halten als bei dem sonst zu gewärtigenden Totalausfall der Maschine. Auch könnte bei rechtzeitiger Meldung die Reparatur zu einer Zeit erfolgen, wo dadurch kein größerer Produktions- und damit auch Erlösausfall entsteht, so daß «ich die Prämien auf jeden Fall bezahlt machen.

Im größeren Betrieb wird aber darauf zu dringen sein, daß eine Instandhaltungskartei geführt wird, die für jede Maschine und jeden wichtigen Bestandteil Aufschluß über Anschaffungen tum, Lieferfirma, etwaige Konstruktion»- und Materialmängel, vermutliche Lebensdauer, Grad der Belastung und bereite durchgeführte größere Instandhaltungsarbeiten Aufschluß gibt Verfügt da« Unternehmen über eine eigene Reparaturwerkstätte, dann ist für diese ein Beschäftigungsplan zu erstellen, der natürlich nicht starr sein darf, sondern nur die Aufgabe hat, die größeren Instartd-haltungsarbeiten in Zeiten zu verlegen, zu denen die betreffende Maschine nicht In Betrieb ist, und eine Liste von laufenden Erhaltungsarbeiten an Maschinen und Werkzeug enthalten muß, auf die zurückgegriffen wird, wenn mangels größerer Reparaturen die Werkstätte unterbeschäftigt ist. In konkreten Fällen ist es durch einen solchen Plan und eine Instandhaltungskartei gelungen, die Zahl der für Instandhaltung und Reparatur notwendigen Arbeitestunden um 20 Prozent und — was noch weit wichtiger ist — die Zahl der durch unvorhergesehene Maschinenschäden verlorengegangenen Arbeitsstunden um ebenfalls 20 Prozent zu verringern.

Die Pflege des Werkzeuges und seine laufende Instandhaltung macht sich stets bezahlt. Sie ist aber auch stets Produktivitätssteigerung, und zwar jene Form der Produktivitätssteigerung, die gerade in einem Lande, wo umfangreiche Ratio-nalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durch Geldmangel gehemmt werden, die primärste ist: Produktivitätssteigerung ohne Mehrkosten!

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