6657508-1959_37_23.jpg
Digital In Arbeit

Betrachtungen zum Absturz der M 222

Werbung
Werbung
Werbung

Die Simmering-Graz-Pauker AG. befaßt sich, wie bereits allgemein bekannt, seit einiger Zeit bereits mit dem Flugzeugbau. Es ist bedauerlich, daß der Prototyp der ersten Flugzeugkonstruktion, der M 222, deren Serienfertigung in absehbarer Zeit aufgenommen werden sollte, durch einen tragischen Unglücksfall während der Erprobung der Maschine abstürzte.

Es erhebt sich die Frage, ob diese Maschine eine Fehlkonstruktion ist oder der Absturz vermeidbar gewesen wäre. Es liegt uns völlig fern, hier dem Ergebnis der amtlichen Prüfungskommission, die diese Frage zu klären hat, vorzugreifen. Nach allem aber, was man bisher in Erfahrung bringen konnte, dürfte tatsächlich wieder menschliches Versagen die Ursache dieses tragischen Ereignisses gewesen sein.

Die M 222 wurde seinerzeit der Presse in vollem Flugbetrieb vorgeführt. Der bewährte Erprobungsflieger und Testpilot Ing. Hans Brückner flog damals die Maschine auf dem Aspemer Flugfeld vor und zeigte dabei überzeugend, daß diese österreichische Konstruktion hervorragende Flugeigenschaften besitzt. Auch der Werkpilot der SGP, der diese Maschine ständig flog, hatte keinerlei Schwierigkeiten bei der Erprobung der M 222. Es ist deshalb auch nicht ganz, verständlich, wie es zu dem Unglück kam. Hier dürfte nicht nur ein Fehler in der Bedienung, sondern eine ganze Reihe von Fehlhandlungen, vielleicht schon Panikhandlungen, begangen worden sein.

Wie allgemein bekannt, setzte Flugkapitän S t e f 1, der unglückliche Führer der M 222, ohne zwingenden Grund zu einer Einmotorenlandung an, bei der er Fahrgestell und Landeklappen viel zu früh ausgefahren hatte. Als er erkannte, daß er für die Landung noch zu hoch über dem Boden war, setzte er zu einer Linkskurve über den stehenden Motor an, eine Handlung, die im Reglement aller Fluggesellschaften strikt verboten ist. Natürlich kann man dieses Manöver fliegen, aber das setzt eine entsprechende Flughöhe voraus. Wenn jedoch keine zwingende Notwendigkeit besteht, über einen stehenden Motor zu kurven, so ist es ein eisernes Gesetz in der Fliegerei, den stehenden Motor hochzunehmen und die eventuell erforderlichen Kurven über den laufenden Motor zu fliegen. Als nun Flugkapitän StefI erkennen mußte, daß er durch die Linkskurve zu sehr an Geschwindigkeit und Höhe verloren hatte, versuchte er anscheinend durch eine Panikhandlung — anders kann man sie kaum bezeichnen — eine Korrektur durchzuführen, indem er Drehzahl und Leistung des laufenden Motors erhöhte, wobei Landeklappen und Fahrgestell immer noch ausgefahren blieben. Der plötzlich auf Leistung gebrachte Motor übernahm nun selbstverständ- li ÄnSP hßM 35ÄrfijnIffioffi;- ädF’hWü dū?žlf 'labrf'’ ¥rt' uglf' befindiiMBto?'eni steht dann eine Hebelwirkung, die das Flugzeug um die Hochachse zu drehen versucht. Da die Geschwindigkeit vorher schon sehr niedrig war, konnte durch das Höhen- und Seitenruder dieser einseitige Zug nicht mehr kompensiert werden, wodurch eine spiralförmige Flugbewegung eingeleitet wurde, die dann in das gefürchtete Trudeln überging. Die Tatsache, daß sich das Flugzeug bereits sehr nahe über Grund befand, ließ keinerlei Korrekturmaßnahmen mehr zu, so daß der Absturz unvermeidlich erfolgte.

Dies ist in groben Zügen — es gäbe noch weitere Faktoren, die als Fehlleistungen bezeichnet werden müßten, hier aber nicht detailliert werden können — der sich dem objektiven Betrachter darbietende Unfallsablauf. Unerklärlich bleibt, wie einem an sich erfahrenen Flugkapitän, der ja gerade die der Sicherheit dienenden Vorschriften sehr genau kennen mußte, eine solche Fehlleistung unterlaufen konnte. Das Tragische in der Fliegerei ist, daß. Fehler, die jedem Menschen passieren können, meist gleich mit dem Leben quittiert werden müssen.

Bedauerlich ist aber auch, daß das Herstellerwerk dadurch in eine Situation geraten ist, für die es absolut nichts kann. Es hat es nach den Ergebnissen unserer Nachforschungen wirklich nicht an Sorgfalt, Genauigkeit und Verantwortungsbewußtsein fehlen lassen und vorschriftsmäßig das Amt für Zivilluftfahrt ebenso wie die Wiener Technische Hochschule zu Rate gezogen. Ist es schon unwahrscheinlich, daß so vielen Fachleuten und Könnern Fehler unterlaufen, so hat die Maschine ja auch im praktischen Flugbetrieb bereits unter Beweis gestellt, daß sie eine ausgezeichnete Konstruktion darstellt, die zu allen Hoffnungen berechtigt.

Bei einem Ereignis, wie es der Absturz der M 222 darstellt, muß man versuchen, sich von dem Eindruck, den das menschlich tragische Schicksal des Fliegers ausüben muß, freizumachen und in objektiver Betrachtung auch an die vielen Menschen zu denken, die dabei ganz unschuldig in Mitleidenschaft gezogen Werden, ganz abgesehen vom Ansehen, des eigenen Landes, das bei einseitiger Schau leiden könnte.

Die M 222 hat auch im Ausland höchste Anerkennung gefunden und wird sicher ihren Weg machen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung