Man kann es kaum glauben, aber es mussten exakt 217 Jahre vergehen, bis #Koukourgi# von Luigi Cherubini das Licht der Welt erblickte. Denn diese komische Oper, die der Komponist, von dem man am Opernsektor bestenfalls noch #Medée# kennt, 1793 komponiert hatte, konnte damals wegen der französischen Revolutionswirren nicht aufgeführt werden und galt als verschollen. Nun ist der Chefdramaturg des Stadttheaters Klagenfurt Heiko Cullmann in einem Archiv in Krakau fündig geworden. Da aber dem unvollendet gebliebenen Torso sowohl Beginn als auch Ende fehlten, ergänzte er diese mit Musik aus anderen Werken Cherubinis und fügte neue, erklärende Dialoge hinzu.
Vor allen Einwänden sollte man zu allererst die Tatsache gebührend würdigen, dass es anlässlich des 100. Geburtstags des Stadttheaters Klagenfurt und zum 250. Geburtstag von Cherubini zur Uraufführung dieses Werkes gekommen ist. Aber obwohl seine Musik durchaus Esprit, Charme und Spritzigkeit ausstrahlt, lässt sie bis auf wenige Stellen einen gewissen Hang zur Gleichförmigkeit und zu Längen erkennen. Das liegt aber nicht am Kärntner Sinfonieorchester, das unter seinem souveränen Chefdirigenten Peter Marschik nach anfänglichen Unsicherheiten die Partitur mit sehr viel Ambition und Verve präsentiert.
Ein ideales Liebespaar: C. Soyarslan und J. Chum
Auch an den Sängern liegt es # von wenigen Ausnahmen abgesehen # nicht: Cigdem Soyarslan (Zulma) mit ihrem feinen Sopran und Johannes Chum (Amazan) mit seinem kräftigem, etwas scharfen Tenor sind ein ideales Liebespaar. Daniel Prohaska kann als Titelheld darstellerisch punkten, sein Tenor wirkt jedoch in den hohen Lagen gepresst und kehlig. Seinem Diener Phaor wird von Peter Edelmann viel komisches Profil verliehen. Mit angenehmem Bariton hört man Leonardo Galeazzi (General Zamthi), mit profundem Bass Stefan Cerny als Fothi.
Szenisch setzt man auf grelle und üppige Opulenz (Bühne: Johannes Leiacker): Eine riesige begehbare, grimmig dreinschauende Maske mit roten Augen und einige kleinere fahrbare Masken wie bewegliche Neonröhren beeindrucken ebenso wie die geschmackvollen chinesischen Kostüme (Marie Luise Walek).
Hier setzt Josef Ernst Köpplinger in seiner offenbar satirisch gemeinten Inszenierung auf viel Bewegung, lässt die Soldaten in allerlei Formationen herummarschieren und mit den Speeren herumfuchteln. Der Intendant des Stadttheaters hat, so wie von ihm gewohnt, eine detailreiche Personenführung zu bieten, weiß Running Gags und andere plakative Witzchen gezielt einzusetzen. Trotzdem: Alles wirkt seltsam leichtgewichtig und flach! Die Story vom appetitstarken, entweder ständig essenden oder sonst am liebsten schlafenden Muttersöhnchen, das als Feldherr jeder Schlacht aus dem Wege geht, kann nicht mitreißen, sondern plätschert harmlos und nett dahin.
So wird diese Ausgrabung trotz aller anerkennenswerten Bemühungen und trotz des finalen Publikumsjubel wohl kaum den Weg ins gängige Opernrepertoire schaffen.
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