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KP als Zünglein
Aus einer sicheren sozialdemokratischen Mehrheit im Parlament wurde in der Wahlnacht des 20. September — wenn man die kommunistischen Stimmen unberücksichtigt läßt —r eine bürgerliche Mehrheit von einem Mandat und schließlich, nach Zählung der Poststimmen, eine bürgerliche Mehrheit von 171 zu 162 Mandaten. Deutlicher als vorher noch ist erkennbar geworden, daß Olof Palme nur bei Stimmenhilfe durch die Kommunisten weiter regieren kann. Die Behauptung Palmes, daß man trotz allem eine rein sozialdemokratische Politik machen wird, es den Kommunisten überlassend, die Regierung zu stützen oder zu stürzen, wirkt wenig überzeugend. Man wird schon in der Stockholmer Staatskanzlei auf die Meinung der Kommunisten hören müssen, wenn man nicht in Kürze Neuwählen haben will— und das will heute die Arbeiterpartei unter keinen Umständen.
Aus einer sicheren sozialdemokratischen Mehrheit im Parlament wurde in der Wahlnacht des 20. September — wenn man die kommunistischen Stimmen unberücksichtigt läßt —r eine bürgerliche Mehrheit von einem Mandat und schließlich, nach Zählung der Poststimmen, eine bürgerliche Mehrheit von 171 zu 162 Mandaten. Deutlicher als vorher noch ist erkennbar geworden, daß Olof Palme nur bei Stimmenhilfe durch die Kommunisten weiter regieren kann. Die Behauptung Palmes, daß man trotz allem eine rein sozialdemokratische Politik machen wird, es den Kommunisten überlassend, die Regierung zu stützen oder zu stürzen, wirkt wenig überzeugend. Man wird schon in der Stockholmer Staatskanzlei auf die Meinung der Kommunisten hören müssen, wenn man nicht in Kürze Neuwählen haben will— und das will heute die Arbeiterpartei unter keinen Umständen.
Zu einer rein bürgerlichen Regierung fehlen nämlich heute der Opposition zur Rechten nur wenig mehr als 100.000 Stimmen. Die drei Oppositionsparteien haben zusammen 47,7 Prozent aller Stimmen erhalten, die kleine Christlichdemokratische Partei außerdem 1,8 Prozent, zusammengenommen ergibt das 49,5 Prozent aller Stimmen gegenüber 50,1 Prozent der Sozialdemokraten und Kommunisten. Damit kann man im Notfall drei Jahre regieren, aber man kann nicht leichtfertig eine Neuwahl riskieren!
Die Rücksichtnahme auf die Meinung des linken Flügels ist also unvermeidbar, und das bedeutet eine härtere Linie in der Frage der Europamarktpolitik, eine Absage an die
Vollmitgliedschaft in der EWG (und damit eine Annäherung an den Standpunkt der Schweiz in dieser Frage!), eine stärkere Betonung der selbständigen Politik gegenüber dem Westen und eine Verstärkung der nordischen Zusammenarbeit, obwohl diese auch vom Kreml mit einigem Mißtrauen beobachtet wird.
Das Wahlergebnis wird jedoch auch zu einer Radikalisierung der bürgerlichen Politik führen. Die Zentrumspartei und auch die Liberalen sehen nun zum erstenmal seit vielen Jahren die Regierungsmacht in greifbare Nähe gerückt und haben bereits begonnen, sich auf das nächste große Treffen in weniger als drei Jahren vorzubereiten. Die Politik der Zentrumspartei unterscheidet sich in sozialen Fragen und in der Frage der Außenpolitik kaum von jener der Arbeiterpartei. Der verbürgerlichte Arbeiterparteiwähler weiß, daß es unter der Führung der Zentrumspartei zwar keine sozialistische Politik geben wird — an der ihm sowieso wenig liegt! — doch auch keine reaktionäre Politik, die mit dem bisherigen sozialen Kurs in
Schweden brechen würde. Auch diese Drohung, die von rechts kommt, wird der Regierung Palme das Leben schwer machen. Eine Koalition mit den Parteien der Mitte muß deshalb gemäßigten Sozialdemokraten nach wie vor als eine denkbare Lösung erscheinen, würde sie doch die KP ihrer „Zünglein-an-der-Waage-Rolle“ berauben.
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