7111150-1995_49_21.jpg
Digital In Arbeit

Nicht sehr intime Geschichten

Werbung
Werbung
Werbung

Was macht ein Elch im Wohnzimmer, oder handelt es sich vielleicht nur um die Werbung eines schwedischen Möbelhauses? Mitnichten. Der Leser befindet sich mitten im neuen Erzählungsband von Evelyn Schlag „Unsichtbare Frauen". Drei Frauen, drei Erzählungen, das ist aber auch schon das einzige, das sie mit ihrem berühmten Kollegen Robert Musil verbindet.

Ehebruch zahlt sich nicht aus, dies wird im besten Sinne in Schlags Buch deutlich, auch wenn die Erzählerin vorgibt, sich auf ihr Fach, das Erzählen von Liebschaften, zu verstehen. In der ersten Erzählung wird der Leser Zeuge eines Ehebruchs. Ein deutscher Anglistikprofessor lernt bei einem Vortrag über Mark Twain eine Österreicherin kennen, und es dauert kaum einen Abend, und er landet schon bei ihr im Bett. Männer, die an Midlifecrisis leiden, die sich von ihren Ehefrauen unverstanden fühlen und für die Verwirklichung ihrer geheimen Träume und Wünsche offensichtlich eine junge Geliebte brauchen, eignen sich besonders für banale Liebesgeschichten. Schlag widmet gleich zwei von ihren drei Erzählungen solchen bedauerlichen Wesen. Literatur, sei es ein Traum von Büke, den die weibliche Hauptfigur hat, oder ein Gedicht der russischen Lyrikerin Marina Zwetajewa, muß herhalten, um ein Verhältnis mit Details zu beschreiben, die nur als als degou-tant bezeichnet werden können.

Unter dem Deckmantel einer falschen Romantik wagt sich die Erzählerin in die allerintimsten Bereiche vor, die sie besser ausgeblendet hätte. In der zweiten Erzählung beschränkt sie sich zwar noch auf Andeutungen. Doch wieder ist es ein Literaturwissenschaftler, der sich mit einer jüngeren Kollegin auf die Suche nach der geheimen Geliebten eines fiktiven österreichischen Schriftstellers macht. Allerlei Details, scheinbar aufgewertet mit kleinen Seitenblicken auf das Lokalmilieu des stei-rischen Literaturbetriebes, mögen indes nur für Eingeweihte ein kleines Ärgernis bedeuten. Weshalb etwa die Leiter des Franz-Nabl-Instituts mit ihren Namen herhalten müssen, bleibt unklar. Ein zusätzliches Ärgernis stellt auch die Präsentation der Frau als unwissenschaftlich Handelnde dar. So muß der ältere Literaturwissenschaftler kommen, um die jüngere Kollegin daran zu hindern, Vorlesungsmitschriften von Josef Nadler (warum gerade er?) wegzuwerfen.

Scheinbar um den Titel der Erzählung „ Alzesheimer" (alces heißt Elch auf lateinisch) zu rechtfertigen, versucht sich die Erzählerin im Surrealen. Bereits beim ersten Glas Slivowitz glaubt sie einen Elch zu sehen, der als Souffleur der Gastgeberin bequem im Fauteuil Platz genommen hat.

Die dritte Erzählung handelt von einer historischen Figur aus dem 17. Jahrhundert, der Dichterin und Aristokratin Catharina von Greiffenberg, die zwischen drei Männern laviert, dem gealterten Ehemann, dem Brieffreund, dem Dichter Sigmund von Birken, und dem katholischen Untertan Wilhelm, den sie bei seiner Arbeit am Hof nur zu gerne beobachtet. Zu allem Überdruß verliert sie sich auch noch in durchaus profanen Schwärmereien über Jesus am Kreuze.

Nicht genug damit, daß in Schlags Erzählungen das nachgerade banale Thema des Ehebruchs immer wieder von neuem erzählt wird, ob in schillernden Details oder anzüglichen Andeutungen, versucht sie ihre Geschichten auch noch mit erzählerischen Finessen aufzuwerten. Verunglückte Metaphern sind keine Seltenheit.

Eines haben die Erzählungen gemeinsam, ohne Unterschied, ob sie in der Gegenwart, in jüngster Vergangenheit oder im 17. Jahrhundert spielen, alle drei zeigen, wohin unglückliche Ehen führen, nämlich meist in die Arme eines oder einer Dritten. Daher gilt, daß da prüfe, wer sich ewig bindet. Dies sollte aber auch zur Maxime von Erzählern und Erzählerinnen werden. Nämlich, an welchen Stoff man sich bindet.

UNSICHTBARE FRAUEN

Erzählungen. Von Evelyn Schlag. Residenz Verlag, Salzburg 1995. 199 Seiten, geb., öS 278,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung